LK 1187, 609 278/191 942. Höhe 540 m.
Datum der Grabung: 17.-31.7.2014.
Bibliografie zur Fundstelle: Ch. Kissling/V. Herrmann/R. Glatz, Eine «Blitzaufnahme» beleuchtet 2000 Jahre Geschichte. Arch BE 2015 (in Vorbereitung).
Ungeplante Notgrabung (Absenkung Kirchenboden). Grösse der Grabung 240 m². Kirche.

Der Entschluss der Kirchgemeinde, eine neue Heizung in der Kirche einzubauen, gab im Sommer 2014 überraschend Gelegenheit, erstmals Einblick in die frühe Baugeschichte des Gotteshauses zu nehmen. Vor Beginn der Arbeiten ging man noch davon aus, dass im Zusammenhang mit dem vollständigen Neubau der Kirche unter dem Berner Baumeister Abraham Dünz 1709 das gesamte Kirchhofareal samt Kircheninneren um weit mehr als 1 m aufgeschüttet worden war. Demnach wurden im Rahmen der anstehenden Bauarbeiten keine archäologisch relevanten Bau- und Schichtbefunde erwartet. Nach Entfernen des modernen Betonbodens stellte sich jedoch rasch heraus, dass direkt unter der modernen Bodenstickung sehr wohl die Fundamentreste mittelalterlicher Vorgängerkirchen und zugehörige Gräber erhalten sind. Wenngleich keine Absenkung des Bodenniveaus vorgesehen war, wurde die Gelegenheit genutzt, erste Erkenntnisse zur mittelalterlichen Baugeschichte der Münsinger Kirche zu gewinnen. Freigelegt und untersucht wurde der oberste erhaltene historische Horizont mit den abgebrochenen Mauerköpfen (Abb. 51).
Bereits der Ortsname lässt auf eine frühmittelalterliche Kirchengründung schliessen, die im Bereich einer seit langem bekannten römischen Villa angelegt wurde. Diese Einschätzung wurde durch die aktuellen Grabungsbefunde im Kern bestätigt. Da aus bodendenkmalpflegerischen Gründen nur der oberste Abschnitt der Mauern freigelegt werden sollte und auch die Gräber unangetastet blieben, waren Fragen zur exakten Datierung der Kirchenreste aber ebenso wenig abschliessend zu beantworten wie Fragen zur Rekonstruktion der Kirchenbauten. Eine grobe Einschätzung der Bauabfolge und Vorschläge zur Deutung der Baureste sind aber möglich.
Die älteste Kirche scheint auf römische Strukturen und damals noch sichtbare Ruinenreste Bezug genommen zu haben. Nur so ist die Anlage eines kryptenartigen Raumes unter dem spätmittelalterlichen Turm zu verstehen, der 1.5 m unterhalb des heutigen Kirchenschiffes liegt. Hier könnte bereits in spätantiker Zeit ein fanum oder eine memoria bestanden haben. Vielleicht wurde der Raum in merowingischer Zeit in einem Friedhof weiter zum Totengedächtnis oder zur Heiligenverehrung genutzt. Körpergräber im Bereich des heutigen Chorraumes deuten darauf hin, dass in merowingisch-karolingischer Zeit ein Friedhof bestanden hat.
Die älteste Steinkirche wurde im Kirchenschiff auf Höhe der östlichen Apsismauer aufgedeckt. Es deutet sich eine einfache Saalkirche mit eingezogener, halbrunder Ostapsis an. Das kleinteilige Steinmaterial lässt an eine karolingisch-ottonische Gründung denken. Ersetzt wurde der Bau wohl noch in vorromanischer Zeit, im 11. oder frühen 12. Jahrhundert, durch eine Saalkirche mit leicht eingezogenem Rechteckchor. Weiter genutzt wurde die nun mit wuchtigem Kreuzgewölbe mit Gurtbögen und Ostapsis versehene Krypta unter dem heutigen Kirchturm. Putzreste deuten im Bereich der nördlichen Chorschulter auf einen möglichen Nordannex hin. Unter Einbeziehung der Krypta ist demnach eine kreuzförmige Anlage denkbar. Dieser Bau besass im Westen bereits die Ausdehnung des heutigen Kirchenschiffs. In gotischer Zeit erhielt die Kirche einen grosszügigen gestelzten Polygonalchor und Abschrankungen auf Höhe des über der Krypta errichteten Glockenturmes. Der Annex bestand danach sicher nicht mehr. 1709 wurde der Bau bis auf den Turm abgebrochen und durch den heutigen spätbarocken Predigtsaal ersetzt.

Datierung: archäologisch. Frühmittelalter bis Neuzeit.
A D B, V. Herrmann.