LK 1215, 2752 186/1 168 640. Höhe 667.9m.
Datum der Grabung: 9.3.-8.4.2022.
Bibliografie zur Fundstelle: Archäologischer Dienst Graubünden (1992) Archäologie in Graubünden. Funde und Befunde. Festschrift zum 25-jährigen Bestehen des Archäologischen Dienstes Graubünden, 391-394. Chur; Poeschel, E. (1940) Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden, Bd. 3. Räzünser Boden, Domleschg, Heinzenberg, Oberhalbstein, Ober- und Unterengadin, 182-188. Basel.
Geplante Notgrabung/Baubegleitung (Anbau/Sanierung Pfrundhaus). Grösse der Grabung ca. 350 m² Siedlung/Gräber.

Direkt im Norden des Klosters Cazis bzw. der dazugehörenden Kirche St. Peter und Paul liegt das sog. Pfrundhaus. Wie frühere Untersuchungen zeigten, geht es in seinem Kern auf die Zeit 1453/54 zurück. Ein im Sommer 2021 lanciertes Sanierungs- und Umbauvorhaben sah die Renovation des ersten Obergeschosses und die Errichtung eines neuen Anbaus anstelle der bisherigen Garage vor. Ferner sollten der Platz zwischen Kirche und Pfrundhaus neugestaltet sowie das hiesige Werkleitungsnetz und die Aussenfassade des Hauses erneuert werden. Dies veranlasste den AD GR zu weiteren umfassenden Begleitmassnahmen.
Die Arbeiten im Aussenbereich wurden für das Frühjahr 2022 angesetzt. Die archäologischen Grabungsarbeiten wurden mehr oder minder parallel zum Baustellenbetrieb ausgeführt und konzentrierten sich vornehmlich auf die direkt betroffenen Bauflächen. Folglich konnten gewisse Befunde nur ausschnittsweise erfasst werden. Gerade im Bereich des neuen Begegnungsplatzes konnten so weite Teile der historischen Substanz - sofern nicht durch bestehende moderne Eingriffe schon vorgängig zerstört - geschont und im Boden erhalten werden.
Die Ausgrabungsarbeiten förderten zahlreiche Befunde und Strukturen unterschiedlichster Zeitstellung zutage. Die ältesten Befunde stammen aus frühmittelalterlicher Zeit und lassen auf eine ausgedehnte, mehrphasige Anlage mit z. T. hochstehender Ausstattung schließen. Einer ersten Phase sind mehrere Mauerzüge sowie ein Mörtel- bzw. ein verkohlter Holzdielenboden zuzuweisen. Nach Ausweis der Radiokarbondatierungen ist diese Phase in die Zeitspanne zwischen der Mitte des 7. und dem späten 8. Jh. zu setzen. An einem der Mauerbefunde ergaben sich überdies Rückschlüsse über die einstige Raumausstattung, denn es zeigte sich, dass das Mauerwerk verputzt und mit einem Holztäfer verkleidet war. Eine temporäre Mörtelanmachstelle belegt zudem den damaligen Baubetrieb. Teile der gefassten Gebäudereste, darunter eine viertelrunde, ebenerdige Herd-/Feuerstelle, sind einer jüngeren Bauphase zuzurechnen. Sie datiert zwischen 774 und 885. Brandschäden am Mauerwerk und mächtige Abbruchhorizonte zeugen davon, dass das Areal um das Pfrundhaus noch im Frühmittelalter von zwei Feuersbrünsten heimgesucht wurde. Der erste Brand, der das Ende der ältesten Bauphase markiert, konnte aufgrund der Befundabfolge und eines C14-Datums in das 8. Jh. datiert werden.
Schriftquellen belegen bereits für das Frühmittelalter ein Kloster in Cazis. Es soll um 700 von Bischof Victor II. und seiner Mutter Esopeia gegründet worden sein. Notabene handelt es sich hierbei um das älteste Frauenkloster Graubündens. Das heutige, seit 1647 von Dominikanerinnen geführte Kloster findet sich im Zentrum von Cazis. Wo sich die frühmittelalterliche Anlage einst befand, war lange Zeit Teil des historischen Diskurses. Bisweilen wurde sie ausserhalb des Dorfes, ca. 1 km weiter nördlich in der Flur Claustra Vedra (romanisch «Altes Kloster») bei Rentiel vermutet. Die nun im Zuge der Grabungsarbeiten aufgedeckten frühmittelalterlichen Baubefunde erlauben zwar keine direkte Ansprache als Kloster, sie erhärten aber den Verdacht, dass die erste klösterliche Niederlassung wohl doch am gleichen Platz errichtet wurde, wenngleich einige Meter weiter nördlich als der heutige Bau.
Als weitere Befunde konnten im Norden der Kirche schließlich mehrere Grablegungen dokumentiert werden, welche die frühmittelalterlichen Befunde z. T. stören und wohl spätmittelalterlich/frühneuzeitlich datieren. Ferner wurden die Fundamentreste des 1871 niedergelegten früheren Kirchturms sowie die Fundamentreste des ehemaligen Pfrundhausstalls gefasst.

Archäologische Funde: Holzkohle, Spinnwirtel, Gefäßfragmente Lavez, Buntmetall.
Anthropologisches Material: Menschliche Skelettreste.
Faunistisches Material: Tierknochen.
Probenentnahmen: C14-Proben, Mörtelproben, Sedimentproben. Datierung: archäologisch; naturwissenschaftlich. Frühmittelalter bis Neuzeit. - C14. BE-18813.1.1, 1343 ± 27 BP, 647-772 AD, cal. 2 sigma; BE-18814.1.1, 1244 ± 27 BP, 678-878 AD, cal. 2 sigma; BE-18816.1.1, 1249 ± 27, 675-877 AD, cal. 2 sigma; BE 19514.1.1, 1202 ± 21, 774-885 AD, cal. 2 sigma.
AD GR, Ch. Walser und E. Scheiber.