LK 1075, 746 240/254 405. Höhe 673 m.
Datum der baubegleitenden Untersuchungen: Januar-November 2009.
Alte und neue Fundstellen.
Bibliografie zur Fundstelle: St. Galler Tagblatt, 15.3./18.3./23.3./ 24.3.2009; St. Galler Nachrichten 1.10./22.10.2009.
Ungeplante Notgrabungen und Baubegleitung (Leitungsgräben, Neugestaltung südliche Altstadt).
Größe der Grabungen ca. 50 m² (bei St. Laurenzen), ca. 300 m² (bei W-Apside Kathedrale und bei Neubau Sitzbankmauer), ca. 90 m² (beim Stadthaus). Baubegleitung: ca. 1000 Laufmeter Leitungsgräben.
Stadt. Kloster. Gräber.

Seit Jahrzehnten sind ungenau lokalisierte Funde von menschlichen Gebeinen in den Gassen um den Stiftsbezirk bekannt. Die systematische Begleitung der Leitungsgräben ermöglichte es erstmals, die Ausdehnung der mittelalterlichen Friedhöfe nach Westen und Norden festzulegen: Die zur Kathedrale gehörenden Bestattungen reichen vom Klosterhof knapp in die heutige Gallusstraße und umfassen teilweise die Westapsis. Ein weiterer Friedhof fand sich in der Gallusstraße auf Höhe des Stadthauses. Hier stand vor der Reformationszeit die St. Johanneskapelle. Die tiefsten Bestattungen liegen im staunassen Lehm, so dass sich Grabeinbauten aus Holz erhalten haben. Die Verstorbenen lagen in Grabkisten, die aus losen Brettern sargähnlich zusammengesetzt waren. Nach Dendrodaten an den Sargbrettern der untersten Gräber wurde der Friedhof ab dem 11. Jh. belegt und nach den Schriftquellen um 1567 aufgegeben.

Ein dritter, bis anhin unbekannter Friedhof wurde auf dem Platz vor der Südwestecke der St. Laurenzenkirche, Kreuzung Marktgasse/Zeughausgasse, festgestellt. Er wurde, nach den C14-Datierungen zu urteilen, zwischen dem 9. und 11. Jh. benutzt. Wo immer die aktuell verlegten Leitungen alte Gräber durchschnitten, fiel die hohe Dichte von bis zu vier Bestattungen pro Quadratmeter auf. Männer, Frauen und auffallend viele Kinder sind Beleg dafür, dass hier die Stadtbevölkerung begraben wurde.

Der aktuelle Stiftsbezirk ist kleiner als das mittelalterliche Klosterareal, welches bis zur Reformation auch Teile der heutigen Stadt umfasste (Klosterviertel). Die oben genannten Gassen liegen im klosternächsten Kreis des Viertels. Die frühesten Spuren von Kloster und Stadt fanden sich in der Marktgasse und in der Zeughausgasse westlich und südlich St. Laurenzen. Herausragend ist die erstmalige Dokumentation von Nutzungshorizonten und Gebäuderesten, die nach C14-Daten aus der Zeit der Galluszelle (1. H. 7. Jh.), des Otmarklosters (8. Jh.) und der Hochblüte im 9./10. Jh stammen. Vorhanden sind Steinsetzungen für Wandfluchten, Lehmböden, Feuerstellen und zwei Latrinen sowie eine Kalkbrenngrube. Zwei weitere (Kalk?) Brenngruben und großflächige Rollierungen für Gassen oder Hofbereiche sind wohl ebenfalls früh- und hochmittelalterlich.
In der Gallusstraße auf Höhe der Industrie- und Handelskammer fand sich eine korbartig konstruierte Latrine aus dem 13./14. Jh. Erstmals konnte der genaue Verlauf der 1566/67 erbauten und zu Beginn des 19. Jh. abgerissenen Schiedmauer (Trennmauer zwischen Kloster und Stadt) dokumentiert werden. Leider mussten deren Fundamente entlang der Zeughausgasse großteils dem Bauprojekt geopfert werden. Entlang der Gallusstraße zwischen Stadthaus und Westapside der Kathedrale ließ sich das Projekt zugunsten des archäologischen Befundes anpassen, so dass die archäologischen Strukturen, u.a. die Schiedmauer, unterhalb der Projektriefe erhalten bleiben. Ähnliche Lösungen waren möglich bei der Platzgestaltung vor dem Stadthaus, einem frühneuzeitlichen Bürgerhaus, dessen ehemalige Umfassungsmauer und Infrastruktur zur Wasserversorgung und Entsorgung dokumentiert wurden. Auf dem Platz vor dem Westeingang der Kathedrale traten bis Projekttiefe diverse mittelalterliche und frühneuzeitliche Mauerzüge zutage, die ebenfalls erhalten werden konnten.

Anthropologisches Material: Bearbeitung vorgesehen durch V. Trancik vom Archäo-Anthropologischen Dienst Aesch BL.
Probenentnahmen: Proben von verkohltem Material und von Knochen für C14-Datierung.
Datierung: archäologisch; C14. Mittelalter.
KA SG, E. Rigert, I. Ebneter, A. Fässler und M.P. Schindler.