LK 1147, 614 280/211 910. Höhe 534 m.
Datum der Grabung: Mai-Oktober 2000.
Bibliographie zur Fundstelle: A. Baeriswyl/D. Gutscher, Burgdorf Kornhaus, Eine mittelalterliche Häuserzeile in der Burgdorfer Unterstadt. Schriftenreihe der Erziehungsdirektion des Kantons Bern. Bern 1995; A. Baeriswyl, Vor-Stadt, Vorstadt und Stadterweiterung, Studien zum topografischen Wachstum der mittelalterlichen Stadt. Unpubl. Diss. Universität Zürich 2001.
Geplante Rettungsgrabung (Neubau mit Unterkellerung). Grösse der Grabung ca. 500 m².
Siedlung. Stadt. Handwerksplätze
Im Anschluss an die Grabungen der späten achtziger und frühen neunziger Jahre im Kornhaus und unmittelbar östlich der nun untersuchten Fläche war ein erneuter Einblick in die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte der Burgdorfer Unterstadt möglich. Dieses Quartier war als zweite Stadterweiterung zwischen 1250 und 1300 unter den Kiburgern und ihren Nachfolgern, den Neu-Kiburgern entstanden. Die vorläufigen Hauptergebnisse vor Beginn der Auswertung ergeben folgende Periodisierung (Abb. 32.33):
Phase I (Vorzustand): Vor der Stadterweiterung lag das Areal in der nicht besiedelten Schwemmebene der Emme; quer über das Grabungsgelände zog ein rund 8 m breiter Bacharm.
Phase II (Stadterweiterung, Vorbereitungsarbeiten): Die Besiedlung spielte sich in vier klar unterscheidbaren Etappen ab. Als erstes wurde mit dem Aushubmateriale des Stadtgrabens der Bacharm zugeschüttet bzw. weiter nach Süden versetzt als Gewerbekanal angelegt. Anschliessend wurden die Gasse angelegt. Sie bestand aus einer Kofferung aus grobem Kies, auf der eine hart gepresste Schicht von flachen Kieseln mit Durchmessern von 1-2 cm als Gassenoberfläche lag. Drittens ist auf den Hausparzellen eine Kiesplanie zu beobachten, die jünger als die Gassenoberfläche, aber älter als die Bebauung ist. Als letztes setzte die Überbauung mit Wohn- und Gewerbebauten ein.
Phase III (Gründungsbebauung, spätes 13. Jh.): Aus den Befunden der Gründungszeit und späterer Perioden ergibt sich offenbar von Anfang an eine uniforme Parzellierung auf der Grundlage des Baublocks zwischen der Gasse und dem Mühlebach. Eine Parzelle maß im Schnitt 6.5 × 18 m, wobei die Breite um rund 10% schwanken konnte. Diese Beobachtung bestätigt die aufgrund der Grabungen im Kornhaus und an anderen Stellen in der Unterstadt gewonnenen Hypothesen. - Die älteste Bebauung bestand aus gassenständigen Schwellenbauten unterschiedlicher Tiefe und Ausrichtung längs und quer zur Gasse, aber in voller Parzellenbreite. Rückwärtig schlossen Höfe an, die sich bis zum Mühlebach erstreckten. Verschiedene gewerbliche Reste, Feuerstellen und Ofenkonstruktionen weisen auf handwerkliche Tätigkeiten hin. Die Eckparzelle zeigt keine Anzeichen von Wohnbebauung - diente sie nur als Werkplatz?
Phase IV (14./15.Jh.): Nach einem Brand kam es zu einer Erneuerung der Häuserzeile in Holz. Davon weicht nur das gassenseitige Gebäude auf Parzelle B ab: Unter dem wohl weiterhin aus Holz bestehenden Haus entstand ein steinerner Keller. Neben neuen Feuerstellen und Ofenkonstruktionen sind Gerberbottiche fassbar.
Phase V (1. H. 16. Jh.): Nach einem erneuten Brand um 1500, der offenbar die ganze Kornhausgasse eingeäschert hatte, wurde die Häuserzeile großenteils in Stein erneuert. Dabei wurden die Häuser nicht nur auf Kosten der Höfe südseitig verlängert, sondern auch um ca. 1 m in die Gasse vorgezogen. Das reichste Haus der Zeile, jenes auf Parzelle B, erhielt einen neuen Keller sowie wohl im ersten Obergeschoss einen Fensterwagen aus Sandstein
Phase VI (1715-20. Jh.): Der Brand der Unterstadt zerstörte die Häuser; beim anschliessenden Wiederaufbau des Quartiers blieb die nordöstliche Ecke leer. An die Stelle der Häuser traten Gerberbottiche. Eine erneute Bebauung des Geländes mit Gerberwerkstätten erfolgte erst nach 1850.

Archäologische Kleinfunde: Keramik, Holz, Glas, Bein, Stein (darunter Reste eines Fensterwagens).
Probenentnahme: Proben für C14-Datierungen.
Datierung: urkundlich, archäologisch, naturwissenschaftlich, stilgeschichtlich. 1250-20. Jh.
A D B, A. Baeriswyl, M. Portmann.