LK 1208, 631470/170740. Höhe 565 m.
Datum der Baubegleitung: März-Oktober 2012.
Bibliografie zur Fundstelle: B. Björck/P. Hofer, Über die bauliche Entwicklung Unterseens. Interlaken 1979; D. Gutscher/B. Studer, Gegner am Rande: Kleinstadtgründungen. In: R. C. Schwinges, Berns mutige Zeit, 186-194. Bern 2003; V. Herrmann, Unterseen, Untere Gasse. Neues aus dem mittelalterlichen Städtli. Arch BE 2013 (in Vorb.). Geplante Baubegleitung (Sanierung des Rohrleitungssystems und der Platzoberfläche). Betroffene Fläche 1800 m².
Städtische Marktbebauung. Stadtbefestigung.

Das Städtli Unterseen gilt als die am besten archäologisch untersuchte Altstadt des Kantons Bern. Entsprechend waren bei den Arbeiten im Zusammenhang mit der Sanierung der Rohrleitungen und der Platzoberflächen in der Unteren Gasse allenfalls Ergänzungen des bekannten Bilds zur Genese und Entwicklungsgeschichte der 1279 gegründeten Stadt zu erwarten. Doch die vorliegenden neuen Untersuchungsergebnisse zwingen zu umfassenden Korrekturen am bestehenden Bild. In der Unteren Gasse wurde wider Erwarten eine spätmittelalterliche Häuserzeile nachgewiesen. Sie verschwand nach den Zerstörungen des Stadtbrands von 1470. Somit bestand im 14. und 15. Jh. zwischen der Unteren und Oberen Gasse eine weitere, bislang unbekannte mittlere Gasse. Erhalten waren die aus Bollen- und Bruchsteinen gesetzten Kellermauern und Fundamente von mindestens sieben Häusern. Aus Kostengründen und zum Schutz des für die Stadt Unterseen bedeutenden Bodendenkmals wurden nur die Leitungstrassen und die Kofferungen für den neuen Pflasteraufbau geöffnet. Auf eine vollständige Untersuchung der Kellerverfüllungen wurde verzichtet. Eine durch Profile abgesicherte Bauabfolge der Häuserzeile kann deshalb noch nicht erarbeitet werden. Die unterschiedliche Ausrichtung der Mauerzüge und einige Überschneidungen lassen eine mindestens zweiphasige Bauentwicklung der Steingebäude und eine Vorgängerbebauung in Holz erwarten. Die vom heutigen Stadtgrundriss abweichende Ausrichtung einiger Mauern deutet wohl auf eine ursprünglich andere Topografie mit stärker reliefiertem Gelände hin. Wahrscheinlich erst im Zusammenhang mit der Stadtgründung wurden die Flächen Schritt für Schritt nivelliert. Die bereits vor 1279 bestehende Parzellierung der Vorgängersiedlung wurde offenbar zunächst übernommen. An zentraler Stelle der Stadt bestand ursprünglich eine natürliche Anhöhe, die im Süden von einer Senke begrenzt wurde. Während die erhabenen Flächen samt älteren Siedlungsspuren vollständig abgetragen wurden, blieben im Senkenbereich natürliche Verfüllschichten von Überschwemmungsereignissen und spätmittelalterliche Planierungen mit umgelagerten älteren Siedlungsfunden erhalten. Darunter sind stellenweise Pfosten- und Grubenhäuser der früh- bis hochmittelalterlichen Vorgängersiedlung nachzuweisen. Aus den untersten Schichten der Senke und aus jüngeren Planien liegen römische Funde vor. Sie deuten auf eine Siedlung wohl des 2./3. Jh. im späteren Stadtbereich hin. Bedeutung besaß der Ort wohl bereits damals als Etappenstation an der Wegstrecke zwischen Thun und den Alpenpässen. Auch der Schiffsverkehr auf der Aare, dem Thuner- und dem Brienzersee konnte von hier aus kontrolliert werden. Überraschende Erkenntnisse liefern die Untersuchungen auch zur Baugeschichte der aareseitigen Stichgassen und zur mittelalterlichen Stadtbefestigung. Mauerzüge in der Kreuzgasse und im Mühligässli belegen, dass während des Mittelalters noch kein direkter Zugang zu einem Aareübergang bestand. Die Übergangsstelle lag vermutlich nördlich des Städtlis. Frühestens nach dem Stadtbrand von 1470 entstanden die Kreuzgasse und die dortige Brücke. Unsicher bleibt weiterhin der Verlauf einer möglicherweise vorhandenen aareseitigen Stadtmauer. Die Untersuchungen am südwestlichen Ausgang des Städtlis haben erste Aufschlüsse zur Baugeschichte des Thomattinen-Tores und zum Stadtgraben geliefert.

Archäologische Funde: Keramik, Eisen, Tierknochen.
Probenentnahmen: C14; Makroproben; Geomorphologie.
Datierung: archäologisch; historisch; C14. Römische Zeit; Mittelalter.
A D B, V. Herrmann.