LK 1112, 704 380 / 232 730. Höhe 410 m.
Datum der Grabung: 29.6.-4.12.2009.
Bibliografie zur Fundstelle: G. Matter, Die Römersiedlung Kempraten und ihre Umgebung. AFS 35. Jona/Rapperswil 2003; JbSGUF 87, 2004, 384f.; R. Ackermann, Jona, Kempraten, Fluhstrasse 6-10: Neue Grabungen in einem beinahe vergessenen vicus. Neujahrsblatt Histor. Verein St. Gallen 147, 2007, 72-83.
Geplante Notgrabung (Wohnüberbauung). Grösse der Grabung ca. 1500 m².
Siedlung.

Sondierungen im November 2003 zeigten, dass auch südlich des Bahndamms mit römischen Spuren zu rechnen ist. Aus diesem Grund führte die KA SG auf dem Gelände einer geplanten Wohnüberbauung vor Baubeginn eine Ausgrabung durch. Dabei entdeckte man am Rande des römischen vicus die Reste eines gallo-römischen Tempelbezirkes. Die Ausdehnung des temenos konnte vermutlich fast vollständig untersucht werden. Das eingefriedete Gebiet dürfte etwa 900 m² gross gewesen sein. In einer frühen Phase wurde das Areal von einem Graben umgeben, der später durch eine Mauer ersetzt wurde. Der längliche trapezförmige Tempelbezirk ist von seiner Form her mit dem Heiligtum in Petinesca (oder in Ansätzen mit Thun-Allmendingen) vergleichbar. Im Hofareal standen zwei Umgangstempel (Abb. 29,1). In der cella (4.8 x 4.3 m) des grösseren, des „Haupttempels“, fanden sich noch Reste eines Mörtelbodens, der über dem damaligen Außenniveau lag. Das Mauerwerk ist aus Handquadern aus Sandstein gemauert. Auf der Aussenseite weist es starke Brandrötungen auf. Bei den Mauern des Umgangs handelt es sich wohl um Sockelfundamente für Säulen oder Pfosten. Der zweite Tempel (cella: 3.6 x 3.7 m) war schlechter erhalten und wesentlich kleiner. Sein rückseitiger Abschluss wird durch die Hofmauer gebildet, die Mauern sind mehrheitlich aus Lesesteinen konstruiert und nur noch wenige Lagen hoch erhalten.
Die Funde von zwei zu Halbsäulen umgearbeiteten tuskanischen Kapitellen und von weiteren Architekturfragmenten geben einen Einblick in die bauliche Gestaltung der Tempel. Die Bauteile sind aus Sandstein gefertigt.
Es gibt Hinweise auf eine ältere Holzbauphase im Bereich des grösseren Tempels. Die ältesten datierbaren Strukturen auf dem Platz sind aber lange Gräben, die zur Drainage des feuchten Baugrundes dienten. Die Keramik aus der Verfüllung kann grob um 100 n. Chr. datiert werden. Eine dieser Drainagen besteht aus einer festen Konstruktion aus unbearbeiteten Sandsteinplatten.
Etwa in der Mittelachse beider Tempel steht ein Brandaltar. Die Kohlereste in seinem Umfeld dürfen wohl mit den Brandopfern in Verbindung zu bringen sein. In seinem Umfeld wurden mehrere aufeinanderfolgende Kiesschüttungen dokumentiert. Vermutlich standen im Tempelbezirk noch weitere kleinere Bauten (Kapellen?), die aus Holz errichtet waren.
Insgesamt wurden drei Gruben mit Feuchtbodenerhaltung ausgegraben. Direkt neben dem kleineren Tempel lagen in einer Grube mehrere Fragmente eines durchlochten Fassbodens. Der Befund dürfte als Brunnen zu deuten sein.
Unter dem Fundmaterial sind zwei „Fluchtäfelchen“ aus Blei und Sockelteile von zwei Weihealtärchen hervorzuheben (Abb. 29,2.3). Unter der Keramik fallen die zahlreichen Reste von Räucherkelchen auf. Erwähnenswert ist ein Kelch aus Lavez. Weitere Funde sind als Reste von Opfergaben anzusehen: mehrere Fragmente von Venusfigürchen aus Terrakotta, zwei Fragmente von bronzenen Votivbeilchen, Münzen etc.
Vereinzelt wurden prähistorische Streufunde geborgen. Am Rand der Grabung kam ein Kalkbrennofen des 1. Jh. n. Chr. zum Vorschein.

Archäologische Funde: Keramik, Glas, Lavez, Buntmetall, Eisen.
Faunistisches Material: Tierknochen, durchlochte astragali, unbearbeitet.
Probenentnahmen: Bodenproben für Archäobotanik/zoologie und Geoarchäologie. Holz- und Holzkohlenproben für Holzartenbestimmung, Dendro und C14 sowie Mörtelproben.
Datierung: archäologisch. 2./3. Jh. n. Chr. - C14; ETH 38952 2020 ± 35 BP, kalibriert (2 sigma): 120 v. Chr. -70 n. Chr.
KA SG, P. Koch und M. P. Schindler.