LK 1068, 621 315/264 523. Höhe 286-289 m.
Datum der Grabung: 17.4.-11.7.2001.
Bibliographie zur Fundstelle: Jber Stiftung Pro Augusta Raurica 33, 1968, 9; J. Rychener/H. Sütterlin, Ausgrabungen in Augst im Jahre 2001. JbAK 23, 2002 (im Druck).
Geplante Notgrabung (Bau eines Einfamilienhauses). Grösse der Grabung ca. 325 m².
Siedlung. Städtische Strassen, randliche Teile von Insulae; Metallverarbeitungsplatz.

1997 wurde für eine aus einem grösseren Grundstück ausgeschnittene Parzelle am südwestlichen Rand des Augster Oberdorfes ein Baugesuch für ein Einfamilienhaus eingereicht. Infolge verschiedener Umstände (bevorstehende Grossgrabung im Areal der Firma E. Frey AG; absehbare Grossgrabung in der Flur Obermühle) musste sich die Bauherrschaft jedoch auf eine längere Wartezeit einstellen - eine Ausgrabung würde erst im Jahre 2002 stattfinden können. Weil 1999 die Ausgrabung Obermühle durch einen Landkauf des Kantons abgewendet wurde, konnte das Ausgrabungsprogramm der Römerstadt Augusta Raurica um ein Jahr vorgezogen werden.
Südlich des Grundstückes waren 1927 und 1968 Mauerzüge beobachtet worden. Die besonders massiven Mauern der Grabung 1968.58 schienen auf eine Überbauung am Abhang des Wildentals hinzudeuten (Insula 28); der 1927 freigelegte Mauerzug war nicht zu interpretieren. Das Gelände fällt hier vom OberstadtPlateau ziemlich steil gegen des Wildental hinunter ab; in der Grabungsfläche verläuft das Gefälle ungefähr von NE nach SE mit einem Höhenunterschied von annähernd 4.5 m auf eine Länge von ca. 30 m.
Bei der Rekonstruktion des Strassen- und Insula-Rasters nahm man an, die 1927 freigelegte Mauer markiere die westliche Kante der Westrandstrasse. Die Grabungsfläche sollte nach diesen Unterlagen zu einem guten Teil in der Kreuzung Westrandstrasse/Minervastrasse liegen. Nicht genau abschätzen liess sich die Tiefe der römischen Schichten. Um den Grabungsaufwand besser abschätzen zu können, entschieden wir uns deshalb für eine geophysikalische Prospektion mittels Bodenradar, die von Jürg Leckebusch (Kantonsarchäologie Zürich) am 19.10.2000 durchgeführt wurde. Es zeigte sich eine recht dichte Überbauung (zur allgemeinen Überraschung auch dort, wo eigentlich die Minervastrasse verlaufen sollte), wobei allerdings der grösste Teil ausserhalb des geplanten Grabungsperimeters zu liegen schien; innerhalb davon zeigte sich eine mehrheitlich leere Fläche. Der 1927 erfasste Mauerzug an der Südwestecke der Grabung zeichnete sich im Radarbild klar ab. Die festgestellten UK der Mauern liessen auf recht tief liegende Zeugnisse aus römischer Zeit schliessen. Wir planten deshalb eine Grabung von rund 5 Monaten ein. Wie sich bald einmal zeigte, waren die aus den Radardaten erschlossenen Mauern und Böden zum Teil gar nicht vorhanden. Zum Vorschein kamen die mehrfach erwähnte Mauer von 1927, die tatsächlich eine überbaute Zone (Region 8,C) von der Westrandstrasse abtrennt sowie ein massiver Mauerwinkel in der Südostecke der Grabungsfläche. Die restliche Fläche erbrachte Kiesbeläge der beiden erwähnten Strassen. So war die Grabungsdauer erheblich kürzer als veranschlagt. Für die vom Radar quasi "zuviel" angezeigten Strukturen sind einerseits sehr scharf ausgeprägte Sedimentwechsel im gewachsenen Boden verantwortlich, die - innerhalb einer städtischen Überbauung verständlicherweise - als (Mörtel-)Böden gelesen werden konnten, andererseits ein fast die ganzen Strassenflächen bedeckender, teils recht massiver Mauerversturz.
Als früheste Struktur kamen im Westteil der Fläche Reste eines Buntmetall-Werkplatzes zum Vorschein. Es handelt sich um eine Reihe kleiner, rundlicher Gruben (Giessgruben?) und zwei sehr flache, eher unregelmässige Gruben (Schmelzöfen?). Die darüber liegende Schicht, aber auch die Gruben selbst waren mit vielen Abfällen verfüllt, die auf Buntmetallguss schliessen lassen: Schlackebrocken, Teile von Gusskanälen, Gusstropfen und kleine Konzentrationen von pulverig oxydierter Bronze. Dazu fanden sich grosse Holzkohlestücke und viele Fragmente sogenannter Ofenwand. Die einst vorhandenen Einrichtungen lassen sich aus dem Befund nicht rekonstruieren, denn sie wurden durch die nachfolgende Siedlungstätigkeit fast völlig zerstört. Keramik und einige Fundmünzen belegen eine Datierung des Werkplatzes ins frühere 1. Jh. n. Chr. Obwohl nur Teile des Werkplatzes erfasst werden konnten, ist es der räumlich und zeitlich am besten definierbare Befund der ganzen Ausgrabung. Er wird durch einen Balkengraben einer Holz-Lehmwand ergänzt; die Westrandstrasse existierte damals noch nicht.
Die Bauten des späteren 1.-3. Jh. können summarisch vorgestellt werden. Innerhalb der Grabungsfläche wurde von der nördlich liegenden Insula 21 nur die Grenzmauer gefasst. Der erwähnte Mauerwinkel in der Südostecke umschloss wahrscheinlich einen kellerartig in den Abhang eingetieften Raum und gehört zur Insula 28. Allerdings erscheint eine Verbindung zu den vorher bekannten Mauerzügen schwierig, obwohl man 1968 auf einen ähnlichen Befund gestossen war. Bei den Strassen überraschte die geringe Stärke des Kiesbelags; die Minervastrasse glich fast mehr einem Bachbett als den in Augst üblichen Strassen! Am meisten beeindruckten die Zeugnisse der Zerstörung. Dazu gehören die massiven Reste von Mauerversturz über der Strassenkreuzung. Leider waren keine Mauern im Stück verkippt. Der Versturz stammt zum grössten Teil von Insula 21; ein Teil von Insula 28. Innerhalb des Mauerwinkels fand sich ebenfalls zunächst Mauerversturz; darunter lag eine massive Schicht aus teils ziemlich grossen Stücken einer Wandmalerei. Von einer allfällig vorhandenen Inneneinrichtung des Raumes fand sich nichts mehr. Als Gehniveau diente wahrscheinlich eine Planie aus Feinkies. Die Befunde deuten daraufhin, dass das Gebäude aufgegeben wurde. Man scheint es komplett ausgeräumt und sogar das Dach entfernt zu haben. Danach hat man es dem Zerfall preisgegeben. Eine grosse Raubgrube an der äusseren Ecke des Mauerwinkels bezeugt, dass man die einst vorhandenen Eckbinder herausgebrochen hat. Wann diese Zerstörung stattgefunden hat, ist noch ungewiss; dafür ist die Analyse des Fundmaterials abzuwarten. Jüngster datierbarer Fund ist eine Münze der Jahre 335-337.

robenentnahmen: Sedimentproben, Metallproben.
Sonstiges: viele Fragmente einer grossflächigen Wandmalerei.
Datierung: archäologisch. Frühes 1. Jh. bis mittleres 4. Jh. n. Chr.
Ausgrabungen Augst, J. Rychener.