LK 1070, 659 070/259 200. Höhe 362 m.
Datum der Grabung: 13.8.2002-2004.
Bibliografie zur Fundstelle: Jber.GPV 2002, 41f.
Geplante Notgrabung (Bauprojekt). Größe der Grabung ca. 900 m².
Legionslager.

Im Vorfeld eines Neubauprojektes muss bis 2004 eine knapp 900 m² große Fläche an einer für die Geschichte Vindonissas neuralgischen Stelle ausgegraben werden. Über die zu erwartenden Baustrukturen gab es kaum Anhaltspunkte, da sich das zu untersuchende Areal im noch kaum erforschten Ostteil des Legionslagers befindet. Mit einiger Gewissheit war einzig anzunehmen, dass der aus der Frühzeit Vindonissas stammende sogenannte Keltengraben durch die Grabungsfläche laufen würde. Aufgrund der Lage über der ältesten Befestigung Vindonissas waren neue und wichtige Erkenntnisse zur Frühzeit und zum Ausbau des Legionslagers zu erwarten. In den ersten 13 Grabungsmonaten wurden die bislang unerforschte keltische Befestigungsanlage, erste römische Holzbauten über dem zugefüllten Keltengraben, zwei Fachwerkbauten auf Sockelmauern aus der Zeit der 21. und 11. Legion (45/46-101 n. Chr.) sowie Baustrukturen der nachfolgenden Besiedlung untersucht.
Von einer zukünftigen detaillierten Auswertung der Grabungsergebnisse sind wichtige Erkenntnisse zu zentralen Fragestellungen des vor- und lagerzeitlichen Vindonissa zu erwarten. Aufgrund der Lage und den besonders günstigen Erhaltungsbedingungen handelt es sich um eine Schlüsselstelle für die Erforschung der Besiedlungsgeschichte Vindonissas, vom helvetischen «oppidum» über den etappenweisen Aus- und Umbau des Lagers, die nachlagerzeitliche Umnutzung des Geländes bis zum spätantiken Castrum. Ein besonderer Glücksfall war die Entdeckung eines gut konservierten Küchenraumes mit verschiedenen Einbauten, darunter ein knapp 10 m² großer, abgehobener Kochherd.
Einen wesentlichen Einfluss auf die Erhaltung der römischen Baubefunde und Stratigrafie hatten die Überreste der keltischen Befestigungsanlage, bestehend aus einem ca. 20 m breiten und 4.5 m tiefen Spitzgraben sowie einer mehrere Meter breiten Wallanlage mit vorgelagerter Berme. Über dem in römischer Zeit zugefüllten Befestigungsgraben waren wegen massiver Schichtsetzungen die römische Stratigrafie bis 2.5 m hoch und die Sockelmauern der jüngsten lagerzeitlichen Bauten fast überall bis zur Mauerkrone erhalten. Im Bereich des abgetragenen, aber gegenüber dem umliegenden Gelände immer noch leicht erhöhten Walls war das römische Schichtpaket durchschnittlich nur rund 50 cm mächtig und die Mehrzahl der Mauern bis in die Fundamente ausgeraubt.
Die Ausgrabung bot erstmals die Möglichkeit, die vermutete vorrömische Befestigung hinter dem schon länger bekannten Keltengraben zu untersuchen. Die vorgefundenen Baubefunde lassen auf eine vorgelagerte, rund 5 m breite Berme und eine Wallkonstruktion aus drei mit Querankern verbundenen Pfostenreihen schließen (Pfostenschlitzmauer). Sie konnten auf einer Länge von fast 30 m freigelegt werden. Die Frontpfosten wurden im Laufe der Benutzungszeit der Anlage sicher einmal erneuert und spätestens in der jüngeren Phase die rund 2 m breiten Zwischenräume mit großen, rechteckig zugearbeiteten Tuffblöcken verblendet. Der in römischer Zeit abgetragene Wall war noch bis auf 1 m Höhe erhalten. Aus der Wallkonstruktion gibt es nur wenige Funde, die aber alle in die späte Latènezeit datieren (Gefäßkeramik, Nauheimerfibel).
Von den Baubefunden der Legionslagerzeit war das jüngste Gebäude besonders gut erhalten. Das über einem älteren Bau aus der Zeit der 21. Legion errichtete Haus stand an der Ostseite der Principia (Zentralgebäude), von der sie durch eine 3 m breite Stichstraße zur Via Principalis getrennt war. Seine beträchtlichen Ausmaße mit einer südlichen Frontlänge von mindestens 28 m und die Gruppierung der zahlreichen Räume um einen Hof deuten auf die Anlage eines großen Peristylhauses. Aufgrund des Bautyps und der Innenausstattung kommt als Bewohner des Hauses wohl nur ein ranghoher Offizier in Betracht.
Als sensationelle Entdeckung gilt eine gut erhaltene, nach römischen Vorstellungen eingerichtete Küche im südwestlichen Eckraum des Gebäudes (Abb. 41). Verschiedene Einbauten und der von Holzkohle, Asche sowie verkohlten Speiseabfällen geschwärzte Boden waren hervorragend konserviert. Der ca. 26 m² große Raum befand sich in der südwestlichen Gebäudeecke. An die beiden Außenmauern war ein im Grundriss L-förmiger, vom Boden abgehobener Kochherd angebaut, in der Art, wie er zeitgleich in den Vesuvstädten in vielen Haushalten zu finden war. Die später durch zwei rechtwinklig angelegte Mauern gestörte Herdplatte bestand aus umgedrehten Dachziegeln, die eine Fläche von rund 9.8 m² bedeckten. Auf den Ziegelplatten waren noch deutlich die Spuren der Herdfeuer zu erkennen. Für die Errichtung des 0.8 m hohen Unterbaus wurde lehmiges Material verwendet. Die zwei Fronten der Herdanlage waren überwiegend aus Dachziegelstücken aufgebaut. Nur an einer Stelle hat man getrocknete Lehmziegel aufgeschichtet. Der jüngste Boden bestand aus einer geschwärzten, lehmigen Schicht. Darunter lag ein 20-30 cm mächtiges Schichtpaket aus einer alternierenden Abfolge von dünnen, ockrigen Lehmplanien und grau-schwarzen Benutzungsschichten.
Eine gute Parallele zur Culina aus Vindonissa stammt aus der Insula 30 in Augusta Raurica. Dort hat man in einer um 200 n. Chr. gebauten Domus, welche die ganze Fläche der Insula einnahm, eine rund 25 m² große Küche eingerichtet, die mit einem langrechteckigen, gemauerten Herd ausgestattet war. Der Lehmboden war wie in Vindonissa geschwärzt vom Gebrauch der Herdfeuer. Von einer Analyse der entnommenen Bodenproben sind, wie die Untersuchung der Knochen in der Insula 30 eindrücklich gezeigt haben, interessante Resultate zum Speiseplan der in Vindonissa stationierten römischen Offiziere zu erwarten. Wegen der großen Bedeutung der gemachten Entdeckung hat sich die Regierung des Kantons Aargau entschlossen, den südwestlichen Teil des Offiziershauses für die publikumswirksame Vermittlung römischer Lebensweise im Legionslager zu erhalten.

Faunistisches Material: Knochen, unbearbeitet
Probenentnahmen: Holzkohle, Sediment- und Erdproben, Mörtel.
Datierung: 1. Jh. v. Chr.-4./5.Jh. n. Chr.
KA AG, Th. Pauli-Gabi.