LK 1072, 1260 425/2 703 230. Höhe 567 m
Datum der Grabung: 4.1.-12.2.2021
Geplante Notgrabung (Neubau Wasserversorgungsleitung). Grösse der Grabung 44 m².
Siedlung. Gutshof.

Bei der Begleitung der Baggerarbeiten für eine neue Wasserversorgungsleitung der Stadt Winterthur im November 2020 kamen zwischen Leitungsgraben und Flurweg zum ersten Mal konkrete Befunde des zwischen Tolhusen und Ober-Ricketwil lokalisierten römischen Gutshofs zutage. Während einer anschliessenden kleinen Flächengrabung konnten diese eingehend untersucht werden. Die dabei gefassten Gebäudereste lagen direkt unter dem Pflughorizont. Anhand des Fundmaterials datieren die Befunde ins 1. bis 3. Jh. n. Chr.
Im westlichen Teil der Grabungsfläche konnte ein 3 x 3 m grosser Raum dokumentiert werden. Es sind zwei Bauphasen erkennbar. Die erste Steinlage, eine Bollensteinkofferung, war wahrscheinlich der Boden eines Kellerraums, der von einer oberen Etage her zugänglich war. Ziegelplatten, die zentriert auf dieser untersten Schicht lagen, könnten als Unterlage für einen Deckenpfeiler zu deuten sein (Abb. 55). In einer zweiten Bauphase wurde der Raum mit einem Mörtelestrich und einem Ziegelschrotmörtelboden ausgestattet. Leistenziegel, die man dabei hochkant entlang der Mauern setzte, dienten wohl zur Isolation. Der dicke Ziegelschrotmörtelboden mit Verstrich entlang der Wände, die Leistenziegel als Isolation im feinen Terrazzomörtel, die Fragmente von Tubuli sowie das gefundene Fensterglas sprechen für einen Baderaum. Das Fehlen einer vierten Mauer im Süden oder eines eindeutigen Eingangs lassen jedoch Fragen zur genauen Funktion des Raums offen. Da bauliche Elemente eines Hypokausts (Präfurnium, Hypokaustpfeiler etc.) fehlen, könnte der Raum einfach ein Wasserbecken enthalten haben.
Im Ostteil der Grabungsfläche sind im Befund ebenfalls zwei Phasen erkennbar. Ob diese aber mit den Phasen im Westteil korrelieren, ist wegen mangelnder Schicht- bzw. Befundzusammenhänge nicht herzuleiten. Ein Kieselniveau in der Südostecke der Grabungsfläche scheint zu einem Mauerfundament zu gehören, das im Abstand von 3 m parallel zur Ostwand des beschriebenen Raums am Rand der Grabungsfläche verläuft. Vermutlich handelt es sich dabei um das Gehniveau in einem Aussenbereich. Zwischen dieser Mauer und dem Raum im Westteil befand sich eine Mulde mit Kieselniveau, die vermutlich als Erdkeller, Vorratsgrube oder Lagerraum genutzt wurde. In einer zweiten Phase wurde die Grube aufgelassen und verfüllt.
Luftbilder von 1990 zeigen deutlich, dass sich südlich der Grabungsfläche, höher am Hang, die Überreste eines grösseren Gebäudekomplexes befinden. Dessen Grösse, die Ausrichtung und die Anordnung der Räume lassen vermuten, dass es sich dabei um das Hauptgebäude des Gutshofs handelt. Die Gebäudereste dieser Grabung sind somit nicht Teil des Hauptgebäudes, sondern gehörten zu einem separaten Baukomplex der pars urbana oder allenfalls des Wirtschaftsteils. Auf den Luftbildern ist leider weder eine allfällige Trennmauer zwischen den beiden Bereichen noch eine Umfassungsmauer zu erkennen. So bleibt vorläufig unklar, welche Gesamtgrösse das umfriedete Areal des Gutshofs hatte. Aufgrund der eingeschränkten Grabungsfläche steht der Befund zurzeit noch isoliert da.

Archäologische Funde: Baukeramik, Mörtel, bearbeiteter Tuff, Gebrauchskeramik, Eisen, Glas.
Faunistisches Material: Tierknochen, Schneckenhäuschen.
Datierung: archäologisch. Römische Zeit, 1.-3. Jh. n. Chr.
KA ZH, K. Rutz und R. Gamper.