LK 1047, 611 787/267 524. Höhe 251-253 m.
Datum der Grabung: Mai/Juni 2010.
Neue Fundstelle.
Bibliografie zur Fundstelle: Kunstdenkmäler des Kantons Basel-Stadt Bd. III, 449-594 (Kartause). Basel 1941; Bd. VI, 20-26. 173-175 (Frühzeit von Kleinbasel). Bern 2004; R. d'Aujourd'hui/Ch. Bing, St. Theodor: Leitungsgrabungen vermitteln neue Aufschlüsse zur Geschichte Kleinbasels – Vorbericht über die Ausgrabungen am Theodorskirchplatz A (1984/33). Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde 86, 1986, 240-252.
Geplante Notgrabung (Neubau eines Gebäudes für das Bürgerliche Waisenhaus). Grösse der Grabung ca. 650 m². Grab.

Das Basler Waisenhaus liegt im Areal der ehemaligen Kartause, die ihrerseits im beginnenden 15. Jh. in einem bis dahin wenig überbauten Bereich der nach dem Brückenbau 1225 entstandenen Neustadt Kleinbasel liegt. In einem bisher unüberbauten Areal an der Riehentorstraße war ein Neubau vorgesehen. Beim Baugrubenaushub erwarteten wir aufgrund von historischen Erwähnungen die eine oder andere Liegenschaft aus Kleinbasels Frühzeit (13.Jh.), vielleicht auch prähistorische Keramikscherben einer bronzezeitlichen Besiedlung (um 1000-850 v. Chr.). Aus diesen Gründen wurde das Areal mittels Baggerschnitten sondiert, eine sorgfältig auszugrabende Testfläche definiert und der maschinelle Aushub überwacht.
Dabei kam überraschend ein kleines, locker angelegtes Gräberfeld des 5.Jh. zum Vorschein. Es steht in keinem Zusammenhang mit den weiter nordöstlich bei der Theodorskirche liegenden jüngeren Gräbern des 6./7.Jh.
Die Archäologische Bodenforschung barg zehn mehr oder weniger über die ganze Baufläche verstreute, etwa West-Ost-orientierte Körperbestattungen (Kopf im Westen). Die meisten davon wurden wohl noch im Frühmittelalter von Grabräubern heimgesucht oder waren beigabenlos. Manche Bestattungen machten den Eindruck, unsorgfältig in die Grabgrube gelegt zu sein. Einige waren auch durch jüngere Eingriffe gestört.
Von herausragender Bedeutung sind zwei nahe beieinander liegende mit je einem beim Kopf niedergelegten Glasbecher versehene Kindergräber. Einem der beiden Verstorbenen wurde zudem eine Silbermünze mitgegeben. Das andere Kind erhielt noch eine Glasperle. Bei der Münze handelt es sich um die Imitation einer äußerst seltenen Prägung des gallischen Gegenkaisers Jovinus, der zwischen 411 und 413 n. Chr. regierte. Bisher waren aus dem Gebiet der heutigen Schweiz erst zwei derartige Prägungen bekannt.
Auch die beiden Glasbecher passen ins 5.Jh. n. Chr. Die C14-Datierung (ETH-41324: 1740 ± 40 BP) des Skelettes aus dem Münzgrab ergab die Datierung 240-350 n. Chr. (1 sigma) bzw. 210-410 n. Chr. (2 sigma), was zusammen mit der Münze das Grab eher ins frühe als ins fortgeschrittene oder späte 5.Jh. zu rücken scheint.
Bei den Bestatteten handelt es sich wahrscheinlich um die Einwohner einer kleinen frühmittelalterlichen Siedlung, welche hier in der Nähe einer spätrömischen Befestigung entstanden war. Gemäß Ammianus Marcellinus, der erstmals die römische Siedlung Basilia am Rheinknie nennt, ließ Kaiser Valentinian 374 n. Chr. diese Festung zur Sicherung der Rheingrenze errichten. Sie wurde wohl nach dem Rückzug römischer Truppen ums Jahr 401 auf irgendeine Weise weiterbenutzt – vielleicht steht das Gräberfeld im Zusammenhang mit dem Nachleben der Festung.
Mit seiner Datierung ins 5.Jh. n. Chr. gehört das neu entdeckte Gräberfeld zu den ältesten frühmittelalterlichen Friedhöfen in unserer Gegend. Damit lassen sich die Anfänge der dörflichen Vorgängersiedlungen von Kleinbasel deutlich früher ansetzen als bisher angenommen.
Von den hier erwarteten bronzezeitlichen Funden kamen tatsächlich einige Keramikscherben zum Vorschein, von den mittelalterlichen Siedlungsresten hingegen nur Abbruchschutt von nahe gelegenen, bei der Klosteranlage abgebrochenen Gebäuden, der im Ausgrabungsareal planiert wurde, eine mit Steinen in Trockenmauerweise ausgekleidete Sickergrube mit Funden des 15.Jh. (Abb. 24) und die Umfassungsmauer des Klosterareals bzw. deren Fundamente aus dem frühen 15. Jh.

Archäologische Funde: Grabbeigaben; bronzezeitliche und neuzeitliche Streufunde.
Anthropologisches Material: Insgesamt 10 teilweise bis vollständig erhaltene Skelette.
Probenentnahmen: C14, Sedimentproben.
Datierung: archäologisch; C14. 5.Jh. n. Chr.