LK 1195, 2759 875/1 190 845. Höhe 600 m.
Datum der Grabung: 5.3.-8.12.2020.
Bibliografie zur Fundstelle: Archäologischer Dienst Graubünden (1992) Archäologie in Graubünden. Funde und Befunde. Festschrift zum 25-jährigen Bestehen des Archäologischen Dienstes Graubünden, 71-75, 114-117, 196-200, 354-360. Chur; Seifert, M. (2011) Leitungen für die Zukunft mit Aussicht in die Vergangenheit. Terra Grischuna 6, 4-8; Heinzle, B. (2020) Chur GR, Sennhof. JbAS 103, 92-93.
Geplante Notgrabung (Neubau Wohn- und Geschäftsgebäude). Siedlung/Gräber.
Größe der Grabung ca. 400 m² (unmittelbar betroffene Fläche). Siedlung/Gräber.
Im Nachgang der Abklärungssondagen im Sommer 2019 wurde eine Fläche von 400 m² im Nordosten des ehemaligen Churer Gefängnisareals Sennhof untersucht. Während die älteren Phasen im Nordbereich der Untersuchungsfläche stark von Erosion betroffen waren, führte die topographische Situation im Süden zu einer massiven Akkumulierung von Sedimenten natürlichen und anthropogenen Ursprungs. Die Stratigraphie erreichte hier eine Mächtigkeit von über fünf Metern und deckt eine Zeitspanne von knapp 7000 Jahren ab.
Die frühesten anthropogenen Spuren zeigten sich in Form von kohlig-steinigen Schichten und Brandgruben, in denen sich verkohlte Eichenhölzer fanden. Es lassen sich zwei neolithische Nutzungsphasen nachweisen, die durch einen Murgang getrennt sind (4784-4555 v. Chr. und 3600-3372 v. Chr.). Kleinfunde fehlen für beide Phasen. Nach knapp einem Meter natürlicher Sedimentierung erfolgte eine mindestens zweiphasige Nutzung des Areals in der späten Bronzezeit. Flächig führen hier bekannte Befundstrukturen aus den Grabungen der 1980er-Jahre gegen Osten weiter. Zu erwähnen ist beispielsweise ein langer, schmaler Steinzug mit dazugehörigen Pfostensetzungen, dessen Funktion nicht näher bekannt ist. Trotz der Nähe zum Hof-Hügel mit seinem spätrömischen Kastell beschränkte sich der römische Eintrag auf Streufunde vom 1.-4./5. Jh. n. Chr. Eine weitere intensive Nutzungsphase des Areals lässt sich nach Ausweis der C14-Datierungen für das 5.-7. Jh. n. Chr. postulieren. Erwähnenswert ist hierbei ein Gebäude mit Pfostensetzungen, Gruben mit z.T. gut erhaltenen, verbrannten Balkenstücken, einer Herdstelle und drei längs gestellte, große Steinblöcke (ca. 1.4 x 0.3 x 0.5 m). Die Steine dürften, als Teil der Wand, das Gebäude gegen den Hang hin gesichert haben.
Ohne direkten Bezug zu den anderen Siedlungsaktivitäten konnten zwei Grabgruppen mit insgesamt sieben Individuen ohne Beigaben freigelegt werden. Eine Gruppe datiert in die 2. Hälfte des 8. bis ins 10. Jh. n. Chr. C14. Die Datierung für die zweite Gruppe, mit Hinweisen auf die Verwendung von Holzsärgen, steht noch aus. Stratigraphisch kann derzeit ein Zeitraum zwischen dem 8. und 13. Jh. n. Chr. vorgeschlagen werden. Für das 11./12. Jh. n. Chr. konnte ein Handwerkerquartier nachgewiesen werden. Es folgt direkt auf ein Nutzungs-/Siedlungsniveau mit einer Steinrollierung und Pfostensetzungen, das sich ins 9./10. Jh. n. Chr. datieren lässt. Zwar bleiben die Befunde dieses handwerklich genutzten Areals in Form von Pfostensetzungen, Gruben und Gräbchen unscheinbar, die zahlreichen Funde bezeugen jedoch verschiedenartige kunsthandwerkliche Tätigkeiten. Ein herausragender Einzelfund ist eine steinerne Gussform für Schmuck und religiöse Gegenstände (Abb. 60). Daneben verweisen die hohe Anzahl an bearbeiteten und verzierten Tierknochen in Form von Halbfabrikaten und Produktionsabfall auf die Tätigkeit von Knochenschnitzern. Bei den verwendeten Tierknochen zeigt sich nach momentanem Wissenstand ein hoher Anteil an Kiefern von Equidae. Weitere handwerkliche Tätigkeiten werden durch vereinzelte Buntmetallbarren (Rohlinge), Spinnwirtel, Glasschlacken und Glaskuchen belegt. Das Areal lag später - nach dem Bau der Stadtmauer um 1200 - extra muros und wurde scheinbar als Quartier der sich entwickelnden Stadt aufgegeben und dann bis ins 20. Jh. vor allem agrarisch-landwirtschaftlich genutzt.
Archäologische Funde: Bearbeitete und verzierte Tierknochen/Geweih (Halbfabrikate/Ausschussware), steinerne Gussform (Schmuckherstellung), Scheibenfibel, Spinnwirtel, Holzkohle, verbrannter Hüttenlehm, Keramikfragmente (prähistorisch, römisch, neuzeitlich), Lavezfragmente (Gefäße und Spinnwirtel, früh-hochmittelalterlich), Ziegelfragmente, Glas, Glaskuchen, Metallfragmente/Barren. Anthropologisches Material: Überreste von vier Körperbestattungen. (Insgesamt sieben Bestattungen: drei wurden bei den Sondagen 2019 geborgen, vier 2020 bei der flächigen Ausgrabung). Faunistisches Material: Tierknochen, Zähne, Geweih und Mollusken.
Probenentnahmen: C14-Proben, Sedimentproben, Sedimentsäulen, Schlämmproben, DNA-Proben, dendrochronologische Proben (verbrannte Balkenfragmente).
Datierung: archäologisch. Bronzezeit-Neuzeit. - C14. ETH-103122, 1174 ± 22 BP, 773-942 AD, cal. 2 sigma; ETH-103123, 1204 ± 22 BP, 730-887 AD, cal. 2 sigma; ETH-103124, 1117 ± 22 BP, 887-984 AD, cal. 2 sigma; ETH-103125, 1144 ± 22 BP, 777-974 AD, cal. 2 sigma; ETH-103126, 2814 ± 23 BP, 1021-906 BC, cal. 2 sigma; ETH-103127, 1592 ± 23 BP, 413-538 AD, cal. 2 sigma; ETH 103128, 2794 ± 23 BP, 1011-856 BC, cal. 2 sigma; ETH-103129, 1460 ± 22 BP, 562-645 AD, cal. 2 sigma; ETH-103130, 1072 ± 22 BP, 898-1019 AD, cal. 2 sigma; ETH-103131, 1567 ± 22 BP, 424-544 AD, cal. 2 sigma; ETH-108635, 918 ± 22 BP, 1039-1204 AD, cal. 2 sigma; ETH-108636, 981 ± 22 BP, 998-1155 AD, cal. 2 sigma; ETH-108637, 1141 ± 22 BP, 774-989 AD, cal. 2 sigma; ETH-108638, 1019 ± 22 BP, 990-1116 AD, cal. 2 sigma; BE-14780.1.1, 5822 ± 27 BP, 4784-4555 BC, cal. 2 sigma; BE-14781.1.1, 4693 ± 25 BP, 3600-3372 BC, cal. 2 sigma.
Chur GR, Sennbof
View the original PDF
Details of the chronicle
Municipality
Chur
Canton
GR
Location
Sennbof
Coordinates
E 2759875, N 1190845
Elevation
600 m
Site reference number
--
Cantonal intervention number
--
New site
--
Sampling
wood/charcoal, archaeobiological sample, geoarchaeological sediment sample
analyses
14C, dendrochronology, aDNA
Institution
--
Discovery date
--
Surface (m2)
400 m2
Start date
05 March 2020
End date
08 December 2020
Dating method
14C, dendrochronological, archaeological
Author
--
Publication year
2021
Period
Middle Ages, Early Modern period, Late Modern period, Bronze Age, Neolithic, Roman Empire
Site type
settlement, funerary (group of tombs, unspecified), funerary (tomb)
Type of intervention
excavation (rescue excavation)
Archaeological finds
organic material (costume components), stone (tool), metal (jewelry), ceramic (container), ceramic (architectural element), glass (container), metal
bones
human skeletons, animal bones (dispersed), other
Botanical material
wood/charcoal
×