LK 1068, 621 085/264 760. Höhe 268-276 m. Datum der Grabung: 2.4.-31.10.2002. Bibliographie zur Fundstelle: T. Tomasevic-Buck, JbAK 1, 1980, 19-25; 2, 1981, 7; F. Hoek, Ein aufschlussreicher römischer Keller in Augusta Raurica (Flur Obermühle), in: MILLE FIORI. Festschrift L. Berger. Forschungen in Augst 25, 67-75. Augst 1998 (Grabung 1975/76); P.-A. Schwarz, JbAK 19, 1998, 151-165 (Grabung 1984/85); JbSGUF 85, 2002, 307; J. Rychener/H. Sütterlin/M. Schaub, JbAK 23, 2002, 47-84, bes. 71-75; J. Rychener/H. Sütterlin, Ausgrabungen in Augst im Jahre 2002. JbAK 24, 2003 (im Druck). Geplante Notgrabung (Bau eines Einfamilienhauses). Grösse der Grabung ca. 540 m². Siedlung.

Die Augster Grabungsequipe war im Jahre 2002 schwerpunktmässig mit der Fortsetzung und dem Abschluss der im Vorjahr begonnenen (JbSGUF 85, 2002, 307) Untersuchungen im Areal beschäftigt.

Die erst im Jahre 2002 geöffnete südliche Grabungsfläche brachte im Wesentlichen die Fortsetzung der im nordöstlichen Teil angetroffenen Baustrukturen, aber auch der nachrömischen Eingriffe (ausgedehnte Pflanzgräben der Maulbeerbaum-Plantage des 18./19. Jh.).

Im westlichen Sektor fand sich ein am Hangfuss errichtetes Gebäude, von dessen Innenräumen wir einen teilweise erfasst haben. Hier waren die Befunde wenig gestört. Beim Abbau einer massiven Versturzschicht kam ein grösserer, in einem Stück niedergebrochener Mauerteil zutage. Darunter lag flächendeckend ein infolge eines Brandes eingestürztes Ziegeldach. Beim weiteren Abtrag erwies es sich, dass der Raum zum Zeitpunkt des Brandes offenbar weitgehend ausgeräumt war, weil man einen neuen Boden einziehen wollte. Der Raum war allerdings zuvor schon mehrfach umgestaltet worden, wie Reste von abgetragenen Lehmfachwerkwänden zeigen.

Entlang der nördlichen Grabungsgrenze fassten wir einen hangaufwärts (d.h. West-Ost) führenden Weg, der wohl der internen Erschliessung des grossen Quartiers gedient hat. Wie die Mauerverläufe zeigen, kann der Weg nicht die Quartiergrenze gewesen sein, denn er reichte sicher nicht bis zur Heilbadstrasse am Ostrand des Quartiers. Im Grabungsareal war ohnehin nirgends die südliche Grenze des Gesamtquartiers auszumachen; die Nord-Süd-Ausdehnung des Quartiers bemisst sich demnach auf mindestens 100 m.

Insgesamt ergaben die Untersuchungen, dass sich der Abhang gegen die Flussaue der Ergolz im mittleren und südlichen Teil der Grabungsfläche in mehrere Stufen gliederte, die in römischer Zeit durch Terrassierungsmauern verstärkt wurden; diese Mauern bildeten teilweise gleichzeitig Gebäudemauern. Auf der obersten, etwa horizontalen Stufe fanden sich gut erhaltene Reste der Holzbauphase der römischen Stadt, die sich anhand des ziemlich geschlossen wirkenden Fundmaterials in die 1. Hälfte des 1. Jh. n. Chr. datieren lassen. Die Befunde bezeugen Holzbauten aus Lehmfachwerkwänden, die teils auf steinernen Unterlagen standen. Die Innenräume waren mit festen Mörtelböden versehen. Innerhalb dieser Phase kam es zu einem Brand mit nachfolgendem Wiederaufbau im gleichen Stil. Da die Befunde an der östlichen Grabungsgrenze liegen und zudem durch die nachrömischen Eingriffe erheblich reduziert wurden, lassen sich keine vollständigen Grundrisse von Bauten gewinnen.

Als zweite Stufe folgt ein nicht sehr stark geneigtes Areal, das während der Steinbauphase(n) als unterteiltes Hofareal genutzt wurde, wie zwei Sodbrunnen belegen. Danach folgt ein starker Abhang mit einer Neigung von bis zu 30°. Und genau hier hinein wurde eine Raumflucht (Abb. 14) gebaut, bestehend aus alternierend schmal-rechteckigen und grossen, rechteckigen Räumen. Die schmalen Räume dienten vermutlich als Treppenhäuser; in einem Fall fassten wir eine aus grossen Buntsandsteinplatten konstruierte Treppe. Türen in den quer zum Hang verlaufenden Mauern, aber auch in den hangparallelen Mauern zeigen, dass das Raumensemble als Einheit errichtet worden war. Allerdings wurden im Laufe der Zeit sämtliche Türen vermauert. Und die Lage im Steilhang sorgte dafür, dass mehrere Mauerzüge entweder wegen ihrer Lage im Hang oder unter dem Druck von nachfolgenden Ablagerungen ins Rutschen kamen und in einem Fall sogar durch eine massiv fundamentierte völlig neue Mauer ersetzt werden mussten. Überhaupt waren die angetroffenen Mauern von einer bisher kaum bekannten Vielfalt bei Konstruktionsarten und Reparaturversuchen geprägt. Bei zwei Mauern wurden die unteren Steinlagen der Hangneigung folgend vermauert. Die hangparallelen unteren Mauern standen am Fusse des Steilhangs, wo das Terrain wieder in eine weniger stark geneigte Stufe überging. Hier, an der westlichen Grabungsgrenze, fand sich der gewachsene Boden erst in einer Tiefe von mehr als 4.5 m unter dem heutigen Terrain! Es stellte sich heraus, dass dieser Hangfuss während der Holzbauphase als Abfalldeponie benutzt worden war, denn die im Winkel der beiden Hangstufen liegenden Schichten lieferten eine grosse Menge Fundmaterial aus dem früheren 1. Jh. n. Chr. Innerhalb von zwei der grossen Räume lag ein massiver, teilweise durchwühlter Versturz. Er enthielt einen fast geschlossenen «Block» mit Wandverputz, der gut erhaltene Reste einer oder mehrerer bemalter Wände aufwies; an einigen Stücken fanden sich in einer schwarz bemalten (Sockel-?) Zone Graffiti.

Im südwestlichen, tiefstgelegenen Teil des Grabungsareals kamen drei weitere tiefe Eingriffe zum Vorschein: ein Sodbrunnen und zwei rechteckig ausgemauerte Schächte, wobei der eine mit einem Lichtmass von kaum 1 × 1 m besonders auffiel. Aus Sicherheitsgründen mussten wir bei beiden Schächten auf eine vollständige Aushebung der Sedimente verzichten. Im grösseren Schacht trat ausserdem Grundwasser zutage, das ein weiteres Abtiefen verunmöglichte, weil trotz Auspumpens zu viel Wasser nachströmte. Holzbauteile fanden sich übrigens trotz einer Tiefensondierung in dem Schacht nicht.

Die grossflächige Grabung hat uns einen guten Einblick in einen bisher kaum bekannten Teil der römischen Stadt gewährt. Infolge der nachrömischen Eingriffe und der ausgeprägten Hanglage war es jedoch manchmal schwierig, die angetroffenen Strukturen in ihrer Anordnung und ihren Zusammenhängen zu verstehen. Abzuklären bleibt, weshalb man auf diesem nicht gerade günstigen Baugrund gebaut und sogar nach Rutschungen und möglichen Einstürzen an dem Ort festgehalten hat. Vielleicht spielte die Nähe zur Ergolz eine Rolle, die gemäss unseren Befunden näher am Hangfuss entlang verlaufen sein muss als dies bis heute angenommen wird.

Anthropologisches Material: einzelne Knochen von mindestens zwei Individuen innerhalb einer Versturzschicht (noch nicht näher bestimmt). Faunistisches Material: Tierknochen (Schlachtabfälle) in grossen Mengen. Probenentnahmen: diverse Proben für archäobotanische Untersuchungen. Datierung: archäologisch. 1.-3. Jh. n. Chr. Ausgrabungen Augst, J. Rychener.