LK 1070, 2658 840/1 258915 (Mittelpunktkoordinate). Höhe ca. 359.5-363.5m (max. UK und OK der römischen Kulturschichten). Datum der Grabung: März bis Juli 2021 (2. Etappe). Bibliografie zur Fundstelle: JbAS 104, 2021, 196. Geplante Notgrabung (vor Arealüberbauung). Ausgrabungsfläche 2. Etappe ca. 1500 m². Siedlung. Römische Zivilsiedlung (canabae legionis und nachfolgender vicus) südwestlich vor dem Legionslager Vindonissa. Straße. Brand- und Körpergräber.

Nach einer dreimonatigen Winterpause fand von März bis Juli 2021 die zweite und abschließende Kampagne der Großgrabung südwestlich vor dem Legionslager Vindonissa statt, um die restlichen Bereiche der durch das Neubauprojekt umfassten Fläche zu untersuchen. Wie die erste Grabungsetappe zeigte, verlief eine mehrphasige Kiesstraße quer über die Grabungsfläche nach Südwesten Richtung römisches Amphitheater. Daran schloss sich im Süden im rechten Winkel dazu eine mehrphasige Holz- und Steinbebauung an. Auf der ganzen Fläche verstreut kamen zudem eine Vielzahl an teils massiven Gruben und mehrere lange Entwässerungsgräben zum Vorschein.

Zur ältesten Nutzung des Geländes gehört ein früh kaiserzeitliches Gräberfeld, das entlang der südlichen Grabungsgrenze erfasst wurde und mittlerweile 14 Brand- und 4 Körpergräber umfasst. Aufgrund der Beigaben lassen sich die Brandgräber ins erste Drittel des 1. Jh. n. Chr. datieren. Bei den beigabenlosen Körperbestattungen verweisen die C14-Datierungen ebenfalls ins frühe 1. Jh. n. Chr. Von den an der Straße aufgereihten Gebäuden waren die straßenseitigen Bereiche bereits 2020 anhand von Lehmböden mit Benutzungsschichten und mehreren Feuerstellen erkennbar. 2021 konnten die straßenfernen Bereiche ergänzt und erstmals durch Wandverläufe eindeutig gefasst werden. Auf einer Parzelle waren die Außenwände dank Steinreihen erkennbar, die als Unterlagen für Schwellbalken dienten. Rechtwinklig dazu war ein weiterer Wandverlauf durch senkrechte Verputzreste erkennbar. Beim Abriss dieses Gebäudes war die Wand samt Verputz umgelegt worden. Die größeren Verputzstücke wurden als Block geborgen und noch auf der Grabung gereinigt. Dabei zeigte sich stellenweise eine einfache Wandbemalung mit roten, braunen und grünen Streifen. Östlich davon schlossen weitere Gebäudereste an, die eine leicht abweichende Ausrichtung aufwiesen. Bei dieser Bebauung stach insbesondere ein Steinbau hervor, der 12 m breit und mindestens 9 m lang ist. Im Süden waren ihm vier massive Punktfundamente vorgelagert, zwei weitere befanden sich im Gebäudeinnern. Zur jüngsten Benutzung gehören ein Mörtelboden und eine mehrphasige Feuerstelle. Die Funktion dieses Baus ist, insbesondere in Zusammenschau mit dem stratifizierten Fundmaterial, erst noch zu klären.

Auch diese Grabungskampagne erbrachte eine Vielzahl an interessanten und z.T. in Vindonissa bislang noch nicht belegten Objekten. Neben mindestens zwei (noch nicht eindeutig gelesenen) Fluchttäfelchen aus Blei (tabellae defixionum) ist besonders eine kleine Bronzefigur erwähnenswert, die eine zum Gastmahl gelagerte Minerva darstellt (Abb. 53). Wie bei ähnlichen Fundstücken aus Augst und Baden ist die Unterseite der Kleinbronze nicht plan, sondern leicht gewölbt, was darauf hindeuten könnte, dass das Stück ursprünglich auf einem Gefäß oder Möbel angebracht war.

Archäologische Funde: Umfangreiches Siedlungs- und Grabspektrum (Keramik, darunter Ausschussware; 536 Münzen; 130 Fibeln; Minervastatuette; Bronzekasserolle; mindestens zwei Fluchttäfelchen aus Blei; Säulenbasis und -kapitell). Anthropologisches Material: Menschlicher Leichenbrand, zwei Skelette. Faunistisches Material: Tierknochen, unbestimmt; bearbeitete Tierknochen. Probenentnahmen: Mikromorphologische Proben, Schlämmproben, Sedimentproben. Datierung: archäologisch. Römische Zeit, frühes 1.-4. Jh. n. Chr.; Datierung der Körpergräber: C14. BE-15998.1.1, 2045 ± 22 BP, 149 BC -25 AD, cal. 2 sigma; BE-15999.1.1, 2016 ± 23 BP, 53 BC - 66 AD, cal. 2 sigma; BE-16000.1.1, 2010 ± 22 BP, 50 BC -66 AD, cal. 2 sigma; BE-16001.1.1, 2022 ± 23 BP, 90 BC -63 AD, cal. 2 sigma. KAAG, S. Streit und J. Trumm.