LK 1075, 746 200/254 210. Höhe 675 m.
Datum der Grabung: 10.1.-23.12.2011.
Bibliografie zur Fundstelle: JbAS 92, 2009, 334; 93, 2010, 283f.; 94, 2011, 285-287; St. Galler Tagblatt, 19.4., 11.6., 27.7., 2.8., 3.8., 4.8., 31.8., 1.9., 5.10., 19.10., 25.10., 19.11., 22.11. und 23.11.2011; St. Galler Nachrichten 15.9.2011; Basler Zeitung 11.10.2011; 20 min St. Gallen, 1.9.2011.
Geplante Notgrabung und Baubegleitung (Leitungsgräben, Neugestaltung südliche Altstadt). 90 Laufmeter Leitungsgräben; 2600 m² Kofferabtrag zur Oberflächengestaltung, davon 300 m² geplante Notgrabung.
Stadt. Kloster.
Die letzte Etappe des vierjährigen Bauprojekts zur Neugestaltung der südlichen Altstadt betraf den Gallusplatz mit der angrenzenden Gallus- und der St. Georgenstrasse. Seit Baubeginn sind hier archäologische Befunde zur Früh- und Blütezeit des Klosters bekannt. Zwischen Winter 2010 und Frühjahr 2011 erbrachte die Baubegleitung im Osten des Platzes gut erhaltene Strukturen in kaum 30 cm Tiefe. Angesichts der geplanten Projekttiefe ( -1 m ) wurde von Baubegleitung auf Plangrabung umgestellt und der Bauablaufplan zugunsten einer fachgerechten archäologischen Untersuchung angepasst. Dies rechtfertigt sich durch die hohe Bedeutung der Fundstelle, die integraler Bestandteil des UNESCO-Weltkulturerbes Stiftsbezirk St. Gallen ist. Erstmals konnten so Bauten aus der Zeit der Hochblüte des Klosters (8.-11. Jh.) ausserhalb der 1966 ausgegrabenen Kathedrale grossflächig dokumentiert werden. Damit eröffnet sich die einzigartige Chance, die Frage nach der Umsetzung des weltberühmten St. Galler Klosterplans anhand von archäologisch nachgewiesenen Bauresten vor Ort zu überprüfen.
In grosser Dichte kamen Wandfluchten von Gebäuden zutage: Balkengräben, Pfostenreihen, Mauern und ausgeräumte Mauergruben sowie als Streifenfundament gesetzte, zentnerschwere Steinblöcke. Mindestens drei grosse Bauphasen, unterbrochen durch zwei grossflächige, durch Brand verursachte Zerstörungshorizonte, sind belegt.
Von Wohnbauten zeugen Feuerstellen und Lehmböden mit fast schwarzen Trampelhorizonten. Hinweise auf handwerkliche Tätigkeit fehlen. Zahllose Knochen von Fisch und Geflügel geben wohl Hinweise auf das Speiseangebot im Kloster.
Der Grossteil der früh- bis hochmittelalterlichen Wandfluchten lag parallel zur Längs- bzw. Querachse der Klosterkirche. Hausgrundrisse sind bisher nicht sicher rekonstruierbar. Die Ausnahme bildete ein wohl mehrgeschossiger Rundturm von 6.8 m Durchmesser und 1 m Mauerstärke (Abb. 43). Die erhaltenen Sedimente lassen an eine kellerartige Nutzung des Erdgeschosses denken. An die Aussenseite lehnte sich im Südwesten ein kaum 2 m breiter Annex mit parallel zum Bau gerundeter Mauer, Lehmboden und mindestens einer Feuerstelle. An ihn schloss ein von zwei Pfeilerfundamenten flankierter Steinsockel an (Eingang zum Rundbau? Fundament Hocheingang?). Von einer späteren Erweiterung nach Südosten zeugen der Abraum von mehrphasigen Feuerstellen und eine 20 cm dicke Russschicht. Rundbau und Annexe wurden sehr wahrscheinlich im 8. Jh. erbaut (C14). Sie sind also älter als der karolingische Klosterplan (820/30) und könnten mit den Bauarbeiten unter Otmar in Verbindung gebracht werden. Ein Brand (10. Jh.?; C14) dürfte einen Umbau des Rundturms zur Folge gehabt haben. Der Turm und die angrenzenden Gebäude wurden nach einem weiteren Brand abgerissen. Eine Latrine des 13. Jh. (C14) stört das Mauerwerk des Rundturms.
In der Mitte, im Westen und im Norden des Gallusplatzes blieb die Projekttiefe bei 40-60 cm, tangierte also die mittelalterlichen Schichten nicht. Die Ausdehnung der Klostersiedlung bis in den Nordwesten des Gallusplatzes belegen eine früh- oder hochmittelalterliche Feuerstelle und Lehmböden. Den Abschluss nach Westen bildet vermutlich eine in den letzten Jahren nachgewiesene, grabenartige Senke.
Im Nordosten des Gallusplatzes traten die Reste des öffentlichen Waschhauses aus dem 16. bis frühen 19. Jh. zutage. Zudem fanden sich zahlreiche Teuchelleitungen und zwei Schlammabsetzbecken für Trinkwasserleitungen als Zeugen der mittelalterlichen und neuzeitlichen Wasserversorgung.
Probenentnahmen: verkohltes Material für C14-Datierungen; Proben für geoarchäologische Untersuchungen.
Datierung: archäologisch. Mittelalter; Neuzeit. - C14. Rollierung UK Bauhorizont Rundturm: ETH-44572: 1255 ± 25 BP, 690-750 AD (56.1 % ), 760-780 AD (12.1%) 1 sigma; 670-830 AD (92.5%), 840-860 AD (2.9%) 2 sigma. - Bauhorizont Rundturm: ETH44571: 1320 ± 25 BP , 650-690 AD (55.5 %), 750-770 AD (12.7%) 1 sigma; 650-730 AD (74.2%), 740-770 AD (21.2%) 2 sigma; ETH44064: 1240 ± 25 BP , 690-750 AD (42.8%), 760-810 AD (25.4%) 1 sigma; 680-870 AD (95.4%) 2 sigma. - UK Benutzungshorizonte Annex zu Rundturm: ETH-44065: 1290 ± 25 BP, 670-715 AD (42.6%), 745-770 AD (25.6 %) 1 sigma; 660-780 AD (95.4%) 2 sigma; ETH-44067: 1275 ± 25 BP , 685-725 AD (37.6%), 740-770 AD (30.6 %) 1 sigma; 660-780 AD (95.4 %) 2 sigma. - Benutzungshorizont unterhalb Brandschutt ETH-44575: 1250 ± 25 BP, 685-755 AD (54.6%), 760-780 AD (13.6%) 1 sigma; 670-870 AD (95.4 %) 2 sigma. - Benutzungshorizont oberhalb Brandschutt: ETH-44576: 1145 ± 25 BP, 870-905 AD (23.1%), 915-970 AD (45.1%) 1 sigma; 780-790 AD (2.2 % ), 800-980 AD (93.2%) 2 sigma. - Latrine nach Abbruch Rundturm: ETH-44066: 805 ± 25 BP , 1215-1260 AD (68.2%) 1 sigma; 1180-1275 AD ( 95.4 %, 2 sigma).
KA SG, E. Rigert, P. Koch, R. Meyer und M.P. Schindler.
St. Gallen SG, Gallusplatz/St. Georgenstrasse Westteil/ Gallusstrasse
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Detail des Fundberichts
Gemeinde
St. Gallen
Kanton
SG
Ort
Gallusplatz/St. Georgenstrasse Westteil/ Gallusstrasse
Koordinaten
E 2746200, N 1254210
Höhe
675 m
Signatur Fundstelle Kanton
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Signatur Ereignis Kanton
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Neue Fundstelle
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Probenentnahmen
Holz/Holzkohle, Geoarchäologische Sedimentproben
Analysen
14C
Institution
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Datum der Fundmeldung
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Oberfläche (m2)
2600 m2
Datum Beginn
10 Januar 2011
Datum Ende
23 Dezember 2011
Datierungsmethoden
14C, Archäologisch
Autor*in
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Publikationsjahr
2012
Epoche
Mittelalter, (Frühe) Neuzeit, Zeitgenössisch
Art der Fundstelle
Siedlung (Stadt), Kult/religiös (Kloster)
Art der Untersuchung
Ausgrabung (Rettungsgrabung)
Archäologische Funde
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Knochen
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Botanische Funde
Holz/Holzkohle
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