Im Rahmen der Sanierung der über 100-jährigen Industriehalle Kammgarn West wurden Bodeneingriffe zur Installation von Leitungen, Liftschächten und einem Treppenabgang durchgeführt. Parallel dazu erfolgt der Umbau des Parkplatzes im Kammgarnhof in eine Tiefgarage, um die Gestaltung des Areals zu optimieren. Alle Bodeneingriffe wurden und werden vorab archäologisch untersucht.
Gemäss frühneuzeitlicher Darstellungen befindet sich der Grabungsperimeter im Bereich des ehemaligen Ökonomiehofs des um 1049 gegründeten Klosters zu Allerheiligen, der Werkbauten, Stallungen und einen Baumgarten umfasste. Im Süden war das Areal durch die Stadtmauer gegen den Rhein hin gesichert. Nach der Aufhebung des Klosters im Jahr 1529 im Zuge der Reformation wurden die Ökonomiebauten von der Pfarrei weitergenutzt, der Baumgarten diente als öffentlicher Treffpunkt, in dem ein Schützenhaus errichtet wurde. Im 19. Jahrhundert ging das Areal in industrielle Nutzung über, wobei die alten Ökonomiegebäude und das Schützenhaus abgerissen und durch Neubauten für die Textil- und Uhrenindustrie ersetzt wurden.
Die Ausgrabungen lieferten wertvolle Erkenntnisse zur vor- und frühklösterlichen Geschichte des Areals. Das Gelände war ursprünglich Teil einer Flussaue des Rheins und der östlich in denselben mündenden Durach. Die Landnahme wurde schrittweise mittels Schüttungen vorgenommen. Tiefliegende Mauerfundamente im Westen belegen eine frühe Steinbebauung, die in rund drei Bauphasen abgebrochen und teils mit gleichen, teils mit neuen Fluchten wiederaufgebaut wurde. Für die letzte Bauphase konnten mindestens vier Gebäudestandorte, teils mit Binnengliederung, Ein- und Durchgangssituationen und Bodenbefestigungen dokumentiert werden. Besonders bemerkenswert ist der Befund eines Gebäudestandorts mit mehreren brandgeröteten und -geschwärzten Straten. Vermutlich handelte es sich ursprünglich um einen Holzbau, der keine Spuren hinterliess und der erst nach längerer Nutzung zu einem Steingebäude mit halbrundem Abschluss ausgebaut wurde (Abb. 1). In einer um 1600 datierten Darstellung der Schaffhauser Rüeger-Chronik wurde dieses Gebäude als «Pfisteri» bezeichnet. Die Brandspuren könnten demnach von der klösterlichen Bäckerei stammen.
Aus der frühneuzeitlichen Nutzungsphase konnten Holzpfähle, ein Holzbecken und in den Boden eingelassene Fässer im Gartenbereich dokumentiert werden, die sich aufgrund des feuchten Milieus gut erhalten haben (Abb. 2). Ferner wurden Fundamente der abgegangenen Industriebauten dokumentiert und kartiert. Die Ausgrabungen werden fortgesetzt, die Freilegung der mehrphasigen Stadtbefestigung am Rhein wird erst in der letzten Grabungsetappe Ende 2025 erwartet.