LK 1207, 614 577/178 520. Höhe 557 m.
Datum der Grabung: 2.11.-6.12.2011.
Neue Fundstelle.
Bibliografie zur Fundstelle: A. Baeriswyl, Zwischen Gross- und Kleinstadt: Burgdorf und Thun. In: R.C. Schwinges (Hrsg.), Berns mutige Zeit. Das 13. und 14. Jahrhundert neu entdeckt, 176-185. Bern 2003; JbAS 92, 2009, 336.
Geplante Rettungsgrabung (Unterflurcontainer Abfallwirtschaft). Grösse der Grabungsfläche 60 m².
Uferbefestigung und Gewerbeeinrichtung.

Das Mühlegässli liegt auf dem Oberen Bälliz, einem ehemals vorstädtischen Quartier. Die Aare trennt das heutige Geschäftszentrum Thuns von der alten Kernstadt unterhalb des Burgbergs.
Entstanden ist der Bälliz wahrscheinlich zu Beginn des späten Mittelalters als Erweiterung der seit dem hohen Mittelalter bestehenden zähringischen Burgstadt. Mit einer eigenen Befestigung umgeben war er bereits in der 2. H. 13. Jh. Dennoch blieb die Vorstadt lange Zeit weitgehend unbebaut und wurde nur extensiv genutzt. Noch der Stadtplan von 1814 weist das Gebiet als schwach besiedelt und geprägt von Gärten, Scheunen und Ställen aus. Erst mit dem Bau des Bahnhofs nahm das Viertel einen großen Aufschwung und erhält seine heutige Prägung.
Dieses Bild der Siedlungsentwicklung deckt sich mit den bei den Grabungen am Mühlegässli gewonnenen Ergebnissen:
Als ältester Baubefund war ein durch moderne Leitungsgräben stark beschädigter Fundamentstumpf von 1.5 m Höhe erhalten. Der parallel zum Fluss und um ca. 15 m gegenüber der heutigen Aare zurückgesetzt verlaufende Mauerzug ist als Rest einer ersten Uferbefestigung anzusprechen (Abb. 44). Das Mauerwerk besteht aus großen Flussgeröllen, die mit grobkiesigem Kalkmörtel gebunden sind. Landseitig sind die Steine lagig als Schale geschichtet. Die Flussseite der Mauer war stark beschädigt; wahrscheinlich war sie einst dosiert.
Dieser Anzug war vermutlich bei einem Hochwasser beschädigt worden, so dass die äußere Schale erneuert werden musste (= zweite Phase). Die nachgewiesene Bautechnik und stratigrafische Beobachtungen zu diesem Mauerzug auf der benachbarten Parzelle (Altes Waisenhaus) im Jahr 1994 sprechen für eine Datierung in das 13. Jh.
Zusammen mit dem Bau der Wehranlagen auf der Südseite der Stadterweiterung gehört die Errichtung der Kaimauer offensichtlich zu den ersten Baumaßnahmen auf dem Bälliz. Die Ufermauer war in das zum Fluss abfallende Hanggelände gestellt und mit einer Kiesschüttung hinterfüllt worden. Im Gegensatz zum Bereich des späteren Waisenhauses, wo wohl noch im 13. Jh. ein erster Steinbau entstand, blieb das Areal bis in die Barockzeit unbebaut.
Wohl noch im Laufe des späten Mittelalters wurde die Ufermauer nach einem Unwetter flussseitig mit einer neuen Steinpackung befestigt. Im ausgehenden 17. oder im 18. Jh. entstand die heutige Ufermauer an der Aare. Das Gelände zwischen beiden Mauern wurde mit einer Kiesschüttung planiert. Hieraus liegen frühneuzeitliche Ofenkachelreste vor. Auf dem neu gewonnenen Gelände wurden flussseitig leichte Holzbauten oder hölzerne Unterstände errichtet, die mindestens zweimal erneuert wurden. Die Einfassung eines Holzkastens könnte auf einen Zusammenhang mit der im benachbarten Waisenhaus um 1800 belegten Seidenfärberei hindeuten.

Archäologische Funde: frühneuzeitliche Ofenkeramik.
Datierung: archäologisch; historisch. 2. H. 13.-19. Jh.
A D B, V. Herrmann.