LK 1195, 2759 685/1 190 697. Höhe 598 m).
Datum der Grabung: 25.1.-15.4.2021
Bibliografie zur Fundstelle: Corrins, B. (1995) Der Churer Martinsplatz im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Jahresbericht des Archäologischen Dienstes Graubünden und der Kantonalen Denkmalpflege 1994, 70-77; Janosa, M. (1996) Ein Haus am Churer Martinsplatz. Jahresbericht des Archäologischen Dienstes Graubünden und der Kantonalen Denkmalpflege Graubünden 1995, 80-106; Janosa, M. (1997) Die Churer Martinskirche und ihre Friedhöfe. Jahresbericht des Archäologischen Dienstes Graubünden und der Kantonalen Denkmalpflege Graubünden 1996, 92-113; Janosa, M. (1998) Die Churer Stadtbrände aus der Sicht eines Bauforschers. Bündner Monatsblatt, Zeitschrift für bündnerische Geschichte und Landeskunde 5, 363-371; Baur, Ch. (2021) Chur GR, Martinsplatz. JbAS 104, 207-208
Geplante Grabung (Sanierung Kanalisation/Fernwärme).
Größe der Grabung ca. 215 m².
Siedlung/Gräber.

Im Rahmen des Projektes IBC Wärmeverbund Arcas wurde von Januar bis April 2021 in der Churer Altstadt die dritte Bauetappe zur Erneuerung des Wärmenetzes Arcas und der Abwasserleitung durchgeführt. Betroffen war ein etwa 3 m breiter und 72 m langer Streifen vom Martinsplatz bis zum alten Rathaus in der Reichsgasse. Wie bereits im Vorjahr beschränkten sich die Kanalgrabungsarbeiten vornehmlich auf die bestehenden Leitungsgräben, weshalb sich die archäologischen Arbeiten auf die Dokumentation der Profile konzentrierten. Westlich der Kirche St. Martin konnten unter der bis zu 1.5 m hohen Schwemmschicht eines Plessurhochwassers mindestens vier mutmaßliche Grabgruben beobachtet werden, die wie die im Vorjahr aufgedeckten Gräber zum frühmittelalterlich-karolingischen Friedhof der Martinskirche gehören. Diese waren teilweise in Schichten aus Mörtel und Bauschutt eingetieft, die mit der Errichtung der Martinskirche in Verbindung stehen dürften. Die Nordgrenze des frühmittelalterlichen Friedhofs konnte nun mehr in der Verlängerung der Comandergasse lokalisiert werden. Hier fand sich unter dem Weisswasserkanal in der Reichsgasse, der aus dem frühen 19. Jh. stammt, ein gemauerter Grabbau mit Mörtelboden und verputzten Innenwänden, der die Reste von zwei Bestattungen barg (Abb. 62). Es handelt sich dabei um die stratigrafisch älteste bekannte Grablege, die C14-Analyse des Skelettmaterials ergab eine Datierung von 434-571 n. Chr. Aufschlussreich war die Beobachtung, dass im Kreuzungsbereich von Reichs- und Rabengasse die Schwemmschicht des Plessurhochwassers aus dem 11. Jh., die den Martinsplatz flächendeckend einnimmt, nicht vorhanden war. Dies lässt vermuten, dass sich im 11. Jh. zwischen dem Martinsplatz und der Rabengasse, wohl im Bereich der heutigen Gasthäuser «Drei Bünde» und «Falken», eine Sperre befunden haben muss, die der Überschwemmung standhielt. Tatsächlich konnte in diesem Bereich des Kanalprofils, nur rund 5 m nördlich des spätantik-frühmittelalterlichen Grabbaus, eine ca. 2 m breite und 0.8 m hoch erhaltene, wallähnliche Struktur erfasst werden, der ein ebenso breiter Graben vorgelagert war. Vermutlich in einer zweiten Bauphase wurde der Wall an seiner Nordseite mit einer steinernen Blendmauer versehen. Derartige Strukturen finden sich im ausgehenden Frühmittelalter und dem frühen Hochmittelalter als Befestigungsanlagen in ganz Europa wieder. Es ist somit zu vermuten, dass am Nordende des heutigen Martinsplatzes bis in das 11. Jh. hinein die Befestigungsanlage der frühmittelalterlichen Siedlung stand. In der Reichsgasse konnte schließlich in rund 2 m Tiefe unterhalb des Weisswasserkanals – und teilweise darin inkorporiert – ein 0.8 m breiter, aus Rollsteinen in Mörtelbindung errichteter Mauerzug auf einer Länge von rund 4.5 m dokumentiert werden. Der noch rund 0.8 m hoch erhaltene Baubefund ist als Außenmauer eines Wohngebäudes anzusprechen, zumindest legt dies ein westlich an die Mauer ziehender Mörtelboden nahe. Die Mauerflucht ist gegenüber der heutigen Trasse der Reichsgasse merklich nach Osten inkliniert. Dies und der Umstand, dass sich das stellenweise an der Ostfassade der Mauer erhaltene Außenniveau stratigrafisch mit Befunden in der Rabengasse verbinden lässt, die laut C14-Datierung in das 9. bzw. 10. Jh. zu datieren sind, deuten darauf hin, dass die Reichsgasse vor dem Hochwasser einen etwas anderen Verlauf besaß und die Bebauung über den befestigten Kernbereich rund um die Martinskirche hinausreichte.

Archäologische Funde: Keramik, Eisen, Buntmetall.
Anthropologisches Material: zwei Körperbestattungen.
Probenentnahme: Sedimentproben, C14
Datierung: archäologisch. Mittelalter; Spätantike/Frühmittelalter. – C14. BE-16556.1.1, 1555 21 BP, 434-571 AD, cal. 2 sigma.
AD GR, C. Baur.