LK 1070, 659 000/259 050. Höhe 360 m.
Datum der Grabung (1. Etappe): 24.2.-19.12.2003.

Bibliografie zur Fundstelle: S. Heuberger, ASA, N.F. 25, 1923, 83-111; Ch. Meyer-Freuler, Das Praetorium und die Basilika von Vindonissa. Veröff. Ges. Pro Vindonissa 9. Baden 1989.

Geplante Notgrabung (Überbauung mit Appartement-Blöcken). Grösse der Grabung ca. 3500 m².

Siedlung (Legionslager; Zivilsiedlung; spätantike Befestigung).

Eine der letzten, bislang nicht überbauten Flächen im Legionslager Vindonissa liegt in der praetentura, im Bereich zwischen Legatenpalast (praetorium) und Südtor (porta praetoria). In diesem Areal haben bislang keine grösseren Grabungen stattgefunden. Lediglich das Südtor wurde 1921/22 teilweise freigelegt. Für diese Parzelle, die sog. Spillmannwiese, liegt nun ein Überbauungsprojekt vor. In den nächsten Jahren müssen daher ca. 3500 m² planmässig ausgegraben werden.

In einer ersten Etappe wurden 2003 etwa 900 m² untersucht. Eine Schichtabfolge von durchschnittlich ca. 2 m Mächtigkeit zeugt von baulichen Aktivitäten während vier Jahrhunderten: Den stellenweise sehr gut erhaltenen Spuren der ältesten römischen Holz- und Fachwerkbauten (legio XIII) folgen Steingebäude der legio XXI und der legio XI sowie spärliche Befunde aus der Zeit nach Abzug der Legionsbesatzung (nach 101 n. Chr.) und aus der Spätantike.

Hervorragend erhalten ist die Nord-Süd verlaufende Lagerstrasse (via praetoria), die quer durch das Grabungsareal zieht: Der 4 m breite Kieskoffer der Strasse wird beidseits von Traufwasserkanälen und ca. 2.5 m breiten Portiken begleitet. Mittig unter dem Strassenkoffer verläuft ein Sohlgraben, der wohl ebenfalls der Entwässerung der Lagerstrasse diente. Eine erste Sichtung des Fundmaterials aus diesem Graben zeigt, dass die via praetoria hier offenbar ein Bauwerk aus der Mitte des 1. Jh. n. Chr. ist. Überraschenderweise fehlt bislang der Nachweis einer älteren Lagerhauptstrasse, die im Grabungsareal eigentlich vorauszusetzen ist. Die Frage der Organisation und Orientierung des Legionslagers der legio XIII im frühen 1. Jh. wird demnach neu zu diskutieren sein.

Östlich der via praetoria kann der Steinbau-Grundriss des praetoriums um einen wichtigen Befund ergänzt werden: Der westliche Innenhof des Legatenpalastes ist mit ca. 900 m² wesentlich grösser als bislang angenommen. Er war ringsum von einer Portikus umgeben, wie Reste eines gemauerten, umlaufenden Traufwasserkanals belegen.

Westlich der via praetoria deuten die bislang freigelegten Steinbau-Grundrisse auf eine grosse, West-Ost orientierte Mannschaftsbaracke, deren Portikus von einem Traufwasserkanal begleitet wird (Abb. 42). Die weiteren Grabungen werden hauptsächlich diesem Gebäude sowie den darunter liegenden Baustrukturen gelten.

Eine Überraschung sind drei Gruben mit Skeletten von Kindern, die bei oder kurz nach der Geburt gestorben waren. Zumindest zwei von ihnen dürften der jüngeren Steinbauphase des Legionslagers zuzuweisen sein. Zusammen mit weiteren Einzelfunden wäre dies ein konkreter Hinweis für den Aufenthalt von Kindern und Frauen im Legionslager. Damit bestätigt sich auf archäologischem Weg vermutlich ein Befund, der in Vindonissa durch das Zeugnis der Schreibtäfelchen aus dem Schutthügel bislang lediglich epigraphisch bezeugt ist.

Die Ausgrabung wird 2004 fortgesetzt. Wegen des guten Erhaltungszustands der via praetoria sowie ihrer Bedeutung für die Geschichte Vindonissas hat sich der Regierungsrat des Kantons Aargau entschlossen, das Land zu erwerben und die römische Lagerstrasse unter einem Schutzbau zu erhalten.

Anthropologisches Material: Neonaten.

Faunistisches Material: Tierknochen (teilweise bearbeitet), Mollusken.

Probenentnahmen: Erdproben; Sedimentproben; Mörtelproben; Makroreste.

Datierung: archäologisch. 1.-4. Jh. n. Chr.

KA AG, J. Trumm und H. Huber.