LK 1070, 2658 840/1 258915 (Mittelpunktkoordinate). Höhe ca. 359.5-363.5 m (max. UK und OK der am Hang liegenden Kulturschichten). Datum der Grabung: Juni - November 2020 (1. Etappe). Bibliografie zur Fundstelle: JbAS 102, 2019, 198f. (zur Fundstelle); Trumm, J. et al. (2019) Nachts vor dem Lager? Ein aussergewöhn licher Depotfund aus Vindonissa (Kt. Aargau/CH). Arch. Korrbl 49, 215-244 (zum Depotfund von 2016).
Geplante Notgrabung (vor Arealüberbauung). Ausgrabungsfläche 1. Etappe ca. 1500 m².
Siedlung:

Römische Zivilsiedlung (canabae legionis und nachfol gender vicus) südlich vor dem Legionslager Vindonissa. Strasse Brand- und Körpergräber. Töpferofen.
In der Zivilsiedlung von Vindonissa, unmittelbar vor der Südwestfront des Legionslagers, ist auf zwei der letzten unbebauten, bislang als Wiesland bzw. Parkplatz genutzten Parzellen eine weitere Grossüberbauung mit Tiefgarage geplant. Im fraglichen Areal zwischen heutiger Zürcherstrasse und Sonnenweg wurden bereits 2005 und 2019 Baggersondagen und geophysikalische Sondagen durchgeführt. Unmittelbar südlich fand man 2011 bei einer Baustellenbegleitung frührömische Brandgräber. Das westlich angrenzende Gelände wurde 2013 bzw. 2016-2018 vor seiner Überbauung grossflächig archäologisch untersucht, wobei neben dichten römischen Siedlungsbefunden und einem Töpferofen auch ein Depotfund mit 21 Münzen und 22 Tonlämpchen zum Vorschein kam. Eine geplante Rettungsgrabung begann im Juni 2020 und konnte trotz Corona-Auflagen mit einer ersten Etappe im November planmässig abgeschlossen werden. Der Abschluss der Feldarbeiten ist für Spätsommer 2021 geplant. Eine quer durch die untersuchte Fläche verlaufende römische Kiesstrasse konnte erstmals in der vollständigen Breite und über mehrere Phasen hinweg genauer untersucht werden. Nördlich davon wurde ein bereits 2016-2018 ausgegrabener Steinbau mit seinem südlichen Abschluss vervollständigt. Das 15 x 20 m grosse Gebäude war in mehrere Räume unterteilt und besass im Zentrum einen offenen Innenhof mit Feuerstellen und kleineren Öfen. Unter den spätantiken und lagerzeitlichen Schichten fanden sich wie erwartet ältere Holzbaubefunde, die mindestens zwei unterschiedliche Ausrichtungen aufweisen. Die jüngere Phase richtet sich eindeutig an der genannten Strasse aus und bestand aus direkt nebeneinanderliegenden Gebäuden mit mehrphasigen Feuerstellen und dahinter wohl als Hinterhof genutztem offenem Bereich. Nebst einer Vielzahl von fundreichen Gruben wurde hier auch ein birnenförmiger Töpferofen freigelegt (Abb. 48). Die Brennkammer war vollständig aus Ziegelfragmenten aufgebaut, der Einfeuerungskanal dagegen beidseitig von Steinblöcken verstärkt. Von der Lochtenne waren keine eindeutigen Reste in situ vorhanden. Auf dem Boden der Brennkammer konnten ungebrannte bzw. schlecht gebrannte Scherben geborgen werden, während darüber eine grosse Menge rottoniger Drehscheibenware lag. Diese ist wegen ihres begrenzten Formenspektrums als Ausschussware einer wohl legionslagerzeitlichen Produktion anzusprechen. Hergestellt wurden nur wenige Typen, nämlich Ein- bzw. Zweihenkelkrüge mit Halsring und Wulstrand, Schüsseln mit konischer Wandung sowie tonnenartige Töpfe mit kantigem Rand, Deckelfalz und Schulterrillen. Zur ältesten Nutzung des untersuchten Gebietes gehört ein bereits 2010 entdeckter Bestattungsplatz, von welchem in der diesjährigen Grabungskampagne weitere 12 Brandgräber des beginnenden 1. Jhs.n. Chr. sowie zwei vorerst noch nicht datierte Körperbestattungen freigelegt und dokumentiert wurden.
Der wohl in jeder Hinsicht "schönste" Einzelfund ist ein massiver Fingerring aus Gold, der einen grossen zweifarbigen, ausserordentlich gut erhaltenen Glaskameo trägt (Abb. 49). Das in der Glyptik eher seltene Bildmotiv zeigt Achill, der seine Waffen abgelegt hat und friedlich die Leier spielt. Aufgrund typologischer Merkmale dürfte der Fingerring in spätrepublikanisch-augusteischer Zeit hergestellt worden sein. Der Innendurchmesser des Reifes schwankt zwischen 15 und 19 mm und lässt bei einer heutigen Ringgrösse zwischen 47 und 60 keine Entscheidung zu, ob er ausschliesslich von einer Frau oder einem Mann getragen wurde.

Archäologische Funde: Umfangreiches Siedlungsmaterial (Keramik, knapp 400 Münzen; Goldring mit Glaskameo; über 100 Fibeln, Militaria).
Anthropologisches Material: Leichenbrand, zwei menschliche Skelette.
Faunistisches Material: Tierknochen, bearbeitete Tierknochen.
Probenentnahmen: Mikromorphologische Proben, Schlämmproben, Sedimentproben.
Datierung: Archäologisch. Römische Zeit, frühes 1.-4. Jh. n. Chr.
KA AG, S. Streit, J. Trumm und R. Fellmann Brogli.