LK 1069, 2640 364/1259062. Höhe 411.50 m.
Datum der Grabung: 19.6.-18.10.2015.
Bibliografie zur Fundstelle: JbSGU 16, 1924, 100; 20, 1928, 88; 21, 1929, 102f.; 43, 1933, 109, 115; JbSGUF 83, 2000, 255f.; JbAS 93, 2010, 264.
Sondierungen und anschliessende Notgrabung (Wohnüberbauung mit Tiefgarage).
Grösse der Grabung 1500 m².
Siedlung.

Auf einer nach Süden gerichteten Terrasse in dem vom Bruggbach eingeschnittenen Seitental der Sissle, inmitten des Tafeljuras, unterhalb des Hombergs und des Wittnauer Horns mit der spätantiken Höhensiedlung, liegt der römische Gutshof von Wittnau. Eine erste, mittelbronzezeitliche Besiedlung ist durch klein fragmentierte Keramikfunde und Kulturschichtenreste belegt. Ins 1. Jh. n.Chr. datiert eine nächste, punktuell und diffus erkennbare Phase. Ende 1./Anfang 2. Jh. wurde sodann ein steinerner Gutshof errichtet, der mehrfach umgebaut wurde. Der westliche Bereich der pars urbana und möglicherweise eines Wirtschaftsbaus waren Objekt der jüngsten archäologischen Untersuchungen (Abb. 32).
Zur ersten Bauphase gehört eine Nordwest-Südost orientierte und auf einer Länge von 28 m erfasste zweischalige Umfassungsmauer, deren gestufte Fundamentunterkante dem ansteigenden Gelände angepasst wurde. Der Druck von Hangwasser führte zu lokalen Fundamentausbauchungen.
In der zweiten Bauphase (2. H. 2. Jh.) wurde ein Abschnitt der Umfassungsmauer abgebrochen und durch eine leicht nach Osten gedrehte Mauer ersetzt. Zwei Wasserdurchlässe leiteten das Hangwasser aus der Anlage heraus.
Zur dritten Bauphase (Ende 2.-Anfang 3. Jh.) wurde der Komplex tiefgreifend verändert. Die vorausgehenden Umfassungsmauern verloren ihre Funktion und wurden partiell bis auf das damalige Gehniveau abgebrochen und überbaut. Die neue Bebauung wies eine leicht nach Südwesten gedrehte Ausrichtung auf. Erfasst wurde der Westbereich zweier sehr unterschiedlicher, versetzter Steingebäude. Im mehrräumigen, über 29 m langen Nord-Gebäude war eine dreiräumige Hypokaustanlage mit Westanbau untergebracht. Die hypokaustierten Räume sind im Norden und im Süden jeweils von einem Korridor flankiert, an dem ein weiterer Raum im Norden und mindestens zwei weitere im Süden folgen. Ob die Hypokausträume zu einer Badeanlage gehörten, wie ihre Lage im Westen suggeriert, ist unklar. Die nördlich der Hypokaustanlage liegenden Räume dürften mit einem nicht mehr erhaltenen Holzboden versehen gewesen sein. Der Korridor im Süden war hingegen mit einem Mörtelestrich und mit polychromen Wandmalereien ausgestattet, die sich punktuell auf den Mauerresten erhalten haben. Die nach Süden folgenden Räume waren ebenfalls mit einem Mörtelestrich versehen. Das Vorkommen polierter Kalkplatten sowie von Mosaiksteinen im Abbruchschutt des Nord-Gebäudes weist auf dessen gehobene Ausstattung hin.
Vom Süd-Gebäude wurde die 15 m lange, massive West- jedoch keine Binnenmauern gefasst. Dazu gehört vermutlich eine in ihrer Flucht liegende und 1999 freigelegte Mauer. Beide Relikte zusammen ergeben ein 28 m langes Gebäude. Die fehlende Binnengliederung könnte auf eine landwirtschaftliche Nutzung dieses Baus hindeuten.
Ein rund 40 m langer, beinahe parallel zu beiden Gebäuden verlaufender Drainagekanal mit mehreren Zuläufen hielt das Areal der Bauten und das umliegende Gelände trocken. Er wurde von einem bis zu 2 m breiten Schotterweg überlagert, der über die abgebrochenen, ehemaligen Umfassungsmauern nach Norden führt.
Nach der Zerstörung und Auflassung der Gutshofanlage wurden in der vierten Bauphase (1. H. 3. Jh.) die abgebrochenen Mauern als Unterlage für Ständerbauten genutzt. Letztere fielen in der 2. H. 3. Jh. einem Brand zum Opfer. Der Brandschutt enthielt u.a. Militaria, handgeformte, überdrehte Keramik und zwei Antoniniane. Ein Aes 3 belegt die Begehung des ehemaligen Gutshofareals bis in die 1. H. 4. Jh.

Archäologische Funde: Keramik, Eisen (u.a. Wurfspeerspitzen), Bronze, Blei, Münzen, Baukeramik, Mosaiksteine, Kalksteinplattenfragmente, Glasperle. Faunistisches Material: Tierknochen, noch nicht bestimmt. Probenentnahmen: Schlämmproben, verkohlte Früchte. Datierung: archäologisch. Bronzezeit; 1.-ausgehendes 3./1. H. 4. Jh. n.Chr. KA AG, L. Galioto und D. Wälchli.