LK 1032, 706 775/279 725. Höhe 403 m.
Datum der Grabung: März-Dezember 1999.


Neue Fundstelle.
Geplante Notgrabung (Bauprojekt/Unterkellerung). Grösse der Grabung ca. 450 m².
Siedlung.

Erstmalig konnten innerhalb der historischen Altstadt von Stein am Rhein archäologische Ausgrabungen durchgeführt werden. Die auf dem Areal des ehemaligen Bürgerasyls und mittelalterlichen Spitals "Zum Heiligen Geist" vorgenommenen Untersuchungen erbrachten eine Fülle von Funden und Befunden, die das bis anhin historisch geprägte Bild der frühstädtischen Besiedlung ergänzen und bereichern.
In der Grabungsfläche wurden zwei ursprünglich verschiedene Parzellen untersucht: zum einen im Westen die eigentliche Spitalparzelle, an deren Südrand mit strassenseitigem Bau und Kapelle (schriftliche Ersterwähnung von 1362) die Ursprünge des Spitals liegen. Durch urkundlich belegte Zukäufe und Schenkungen wurde der Komplex gegen Norden hin immer mehr erweitert, so dass er gegen Ende des 15. Jh. die gesamte Parzellenlänge einnahm. Zentral in der Spitalparzelle befindet sich eine Zisterne, ein rechteckiger Holzschacht von 2.0 × 1.4 m. Er wurde in einer ovalen Erdgrube von rund 3.5 m Durchmesser und insgesamt 3 m Tiefe errichtet. Der Holzschacht ist noch auf einer Höhe von 2 m erhalten und wurde zu einem grossen Teil aus wiederverwendetem Bauholz errichtet. Dazu gehören die vier zwischen 14 und 25 cm dicken, vierkantigen eichenen Eckbalken. Sie weisen Zapflöcher, Holznägel und sogar einen Gerberstoss auf, die noch von der früheren Verwendung im Hausbau herrühren. Die Zisterne dürfte aufgrund eines einzelnen fragmentierten Keramiktopfes aus der Verfüllung im 14./frühen 15. Jh. aufgegeben worden sein.
Die zweite, östliche Parzelle wies einen üblichen städtischen Charakter auf, wie er in Schaffhausen schon verschiedentlich zu beobachten war. Die in diesem Bereich aufgedeckten Strukturen lassen sich vorerst grob in fünf Siedlungsphasen gliedern. Als ältester Befund können die Überreste eines Grubenhauses angesprochen werden. Ob sie allenfalls mit den frühmittelalterlichen Grabfunden vor dem Rathaus in Verbindung stehen, werden vielleicht dendrochronologische Untersuchungen zweier zugehöriger Holzpfosten zeigen.
Für das 13./14. Jh. konnte eine lockere, mehrphasige Überbauung mit Holzgebäuden auf Steinsockeln sowie kleine gemauerte Steinkeller nachgewiesen werden. Diese Bebauung ist wohl ein Raub der Flammen im Stadtbrand von 1347 geworden und wurde danach nicht mehr neu errichtet. Für alle Phasen sind Latrinen- und Abfallgruben nachgewiesen, wie wir sie von den Hinterhöfen auch in der Altstadt von Schaffhausen kennen. Aussergewöhnlich in Stein am Rhein waren aber die Erhaltungsbedingungen. Spezielle Bodenverhältnisse - luftdicht abschliessender Lehm, der das Abfliessen von Wasser verhinderte - führten dazu, dass sich das Wasser in den zahlreichen (rund 30!) Latrinen- und Abfallgruben staute. Dies führte zu idealen Erhaltungsbedingungen, insbesondere für organische Materialien, die uns nebst reichem Fundmaterial auch eine ausserordentliche Vielfalt von Latrinenkonstruktionen vor Augen führen. Neben einfachen Erdgruben und gemauerten Latrinen sind besonders zwei Gruben hervorzuheben:
- Eine der ältesten Gruben weist einen beinahe quadratischen Grundriss auf. Mit einer oberen Öffnung von 2 × 1.7 m verjüngt sie sich bis zur Sohle auf 1.2 × 1 m bei einer noch erhaltenen Tiefe von maximal 2.7 m. Die Latrine ist ausgesteift mit dicht aneinander stehenden Holzpfählen von 8-15 cm Durchmesser, welche bis zu 40 cm in den anstehenden Lehm eingeschlagen sind, und war ursprünglich mit einem Boden aus Holzbrettern abgedeckt, von dem wenige, bereits stark abgebaute Reste erhalten geblieben sind. Die Grubenverfüllung bestand bis unter diesen Boden aus mehreren Lagen stark riechenden Fäkalienschlamms, in denen sich ausserordentlich viel organisches Material erhalten hat, nebst vielen Holzabfällen (z.B. Dachschindeln), Obstkernen und verrotteten Pflanzenresten auch ein fast vollständig erhaltener Kinderschuh aus Leder und hölzerne Daubengefässe. Die Latrine ist durch Keramikfragmente in die Zeit um 1200 zu datieren.
- Als weiteren Latrinentyp entdeckten wir eine "Faschinengrube", d.h. eine Erdgrube, deren Wände mit einem Flechtwerk verstärkt und ausgekleidet sind (Abb. 43). Die runde bis leicht ovale Grube weist an der Oberkante des noch erhaltenen Flechtwerks einen Durchmesser von rund 2.4 m auf, an der Unterkante noch rund 2.1 m. Die Staketen von 5-7 cm Durchmesser sind unten zugespitzt und in einem Abstand von 30-35 cm in den anstehenden Lehm eingerammt. Die gesamte Konstruktion ist auf einer Höhe von bis zu 1.2 m ausgezeichnet erhalten geblieben, bei einer gesamten Grubentiefe von rund 2 m. Die Kloake war ebenfalls mit mehreren Lagen von Fäkalienschlamm verfüllt. Er enthielt Holzabfälle, Holzschindeln, Moos, Leder, Haare und Obstkerne. Besonders erwähnenswert sind aber rund 50 fast identische, hölzerne Daubenbecher (Abb. 44).
Sicherlich in handwerklichem Zusammenhang dürfen drei Gruben gesehen werden, welche mittels Holz- und Steinkanälen untereinander verbunden waren. Zu welchem Zweck sie errichtet wurden, muss noch offen bleiben (Gerberei?). Sie datieren spätmittelalterlich bis neuzeitlich, sind mehrphasig und in der jüngeren Phase parzellenübergreifend.

Faunistisches Material: Tierknochen.
Probenentnahmen: Fäkalproben aus Latrinen, Hölzer (Konstruktionshölzer von Latrinen).
Archäologische Kleinfunde: Keramik, Glas, Eisen, Daubenbecher, hölzerne Dachschindeln, Leder (Kinderschuh, Tasche, Abfälle).
Datierung: archäologisch. Um 1200-19. Jh.
Kantonsarchäologie SH.