LK 1070, 666 005/259 050. Höhe 352.5-360.5 m.
Datum der Ausgrabung: 14.4.-19.12.2008; wird im März/April 2009 fortgesetzt.
Bibliografie zur Fundstelle: JbAS 90, 2007, 165-166; ASA 1880, 46; Marginalien bei F. Keller, Die römischen Ansiedelungen in der Ostschweiz, 1. Abteilung, 299. Zürich 1860; Marginalien zudem bei B. Fricker, Geschichte der Stadt und Bäder Baden 5, Anm. 2. Aarau 1880.
Geplante Notgrabung (Zentrumsüberbauung II). Grösse der Grabung 2008/09 ca. 1300 m².
Siedlung. Gräber.

Durch die geplante Erweiterung des Ennetbadener Dorfzentrums (Projekt Zentrum II) wurde im Frühjahr 2008 eine Flächengrabung ausgelöst. Betroffen ist ein bis anhin weitgehend unbekanntes Siedlungsareal des römischen Badekurortes Aquae Helveticae. Die Fundstelle Ennetbaden-Grendelstrasse liegt am flach auslaufenden Südhang der rechten Limmatseite und nimmt Bezug auf die gegenüberliegenden Thermen im Flussknie. Die Ergebnisse der laufenden Ausgrabung schliessen an die Beobachtungen anlässlich von Baubegleitungen bei der Überbauung Zentrum I im Jahr 2006 an.
Eine erste Niederlassung mit Holzbauten, teils auf Sockelmauern stehend, wird vor der Mitte des 1. Jh. n. Chr. auf fluvialem Kiesgeschiebe errichtet und entspricht nach derzeitigem Wissensstand dem klassischen Schema der Längsparzellenbebauung mit Hinterhofnutzung. Aus dieser Zeit stammt ein einfacher Töpferofen mit Tonschlämmgrube. Den wenigen Fehlbränden aus dem Ofeninnern nach zu urteilen, wurden lokal geprägte Gefässformen in reduzierender Technik hergestellt.
Die seit der Frühzeit der Erforschung von Aquae Helveticae diskutierte Brandschatzung im Vierkaiserjahr 69 n. Chr. durch die in Vindonissa stationierte 21. Legion wurde wiederholt mit einer grossflächig beobachteten Brandschicht verbunden. Auch den Ennetbadener Holzbauten setzt ein Brand in der 2. H. 1. Jh. n. Chr. ein Ende. Stichhaltige feinchronologische Aussagen sind aber vor einer Fundauswertung nicht möglich. Festzuhalten bleibt, dass sich für den nachfolgenden Wiederaufbau eine Neuparzellierung abzeichnet.
Über ausplaniertem Fachwerkschutt entstehen wohl im frühen 2. Jh. n. Chr. massive Steinbauten (Abb. 26). Sie greifen über den Hinterhofbereich der Holzbauphase hinaus in den Abhang der Lägern (Juraformation) hinein. Dabei werden die Strukturen bisweilen in den anstehenden Mergelboden geschrotet. Auffällig sind die vielen Sickerleitungen, die auf Schwierigkeiten mit Hangwasser hindeuten. Die Bauten heben sich durch Reste von Wandmalereien, Marmorplatten von Sockelverkleidungen und verstreuten Glasflusstesserae von Mosaiken bezüglich Inneneinrichtung deutlich von der Holzbauphase ab.
Vermutlich als Folge eines weiteren Brandes gegen Ende 2. Jh. n. Chr. erfolgt kurz nach 200 n. Chr. der letzte Ausbau der Anlage. Durch eine terrassierte Erweiterung im Hangbereich wird weitere Grundfläche gewonnen. Zwei hypokaustierte Räume und überdeckte Korridore werden eingerichtet.
Die finale Zerstörung des Gebäudekomplexes erfolgt durch einen Grossbrand im letzten Drittel 3. Jh. n. Chr. Die Datierung ist unter anderem durch frühe Exemplare von - teils angeschmauchten - Trierer Spruchbechern im Brandschutt gesichert.
Etliche improvisierte Feuerstellen aus Abbruchmaterial, verschiedentlich aus Hypokaustpilae, bekunden eine kurze Nachnutzung der Ruinen.
In die 2. H. 7. Jh. n. Chr. sind zwei Bestattungen zu datieren. Die Frauengräber weisen die bezeichnende frühmittelalterliche Beigabenausstattung mit Schläfenringen, Frittenperlen-Halskette, Gürtelmesser und Amulettbeutel auf.
Auf dem Ausgrabungsareal stand bis zu ihrem Abbruch im Jahr 1966 die barocke Kapelle St. Michael (eingeweiht 1669). Südlich der wiederentdeckten Grundmauern stiess man im Laufe der Arbeiten auf einen kleineren Friedhof. Es ist davon auszugehen, dass er nur bis zur Einrichtung des neuen Badener Stadtfriedhofes (1821) in Nutzung stand. Bisher wurden rund 15 Skelette geborgen und anthropologisch untersucht.

Anthropologisches Material: 4 Neonaten (römisch); 2 Individuen (Mittelalter); 18 Individuen (neuzeitlich), davon 2 Neonaten.
Faunistisches Material: Tierknochen, darunter ein vollständiges Hundeskelett (Blockbergung), Mollusken, Eierschalen.
Probenentnabmen: Schlämmproben; Sedimentproben; Holzkohle für Holzartenbestimmung und C14-Messung.
Datierung: archäologisch. 1.-3. Jh.; 7. Jh.; 17.-19. Jh.
KA AG, St. Wyss und D. Wälchli.